Lesezeit 7 Min
Kultur

Ohne Spaltung keine Politik

Der Berliner Schriftsteller Michael Rutschky über Merkels Politik und die mediale Konjunktur von Epochenbrüchen

roegger / pixabay.com
von
Harry Nutt
Lesezeit 7 Min
Kultur

Mitgeschrieben" lautete der Titel mit Tagebuchaufzeichnungen aus den 80er-Jahren, in denen Michael Rutschky intime Einblicke in das intellektuelle Milieu der Bundesrepublik vor der Wende gewährte. Die Fortsetzung führt nun in die Wendezeit von 1988 - 1992. Wir trafen Michael Rutschky in seiner Kreuzberger Wohnung.

Am 9. November 1989 geht das Ehepaar Rutschky ins Kino. Als sie zurückkommen, sehen Sie Schabowskis Pressekonferenz im DDR-Fernsehen und ahnen, dass bald wohl eine historische Party beginnt. "Aber sie gehen ja nicht mehr auf Partys", heißt es im Tagebuch. Waren Sie nicht neugierig?

Das ist ein Beispiel für die Kraft der Tagebuchform, das veranschaulicht, dass man zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht wissen kann, was passieren wird. Mir leuchteten die politischen Lösungen ein, die nach der Besetzung der Botschaft in Prag gefunden worden waren. Und ich fand es vernünftig, dass die SED nun die Mauer aufmachte. Aber was da kommen würde, das habe ich nicht im Geringsten geahnt.

Dabei gab es genügend Indizien, die man hätte deuten können.

Bei einer USA-Reise traf ich 1988 auf einen amerikanischen Professor für russische Geschichte, Mr. Billington. Der sagt uns das Scheitern der Perestroika voraus, und er prophezeite, dass Gorbatschow die Mauer öffnen werde. Alle, die damals dabei waren, haben anschließend gesagt: Der träumt, der Mann. Das Tagebuch kann uns sehr schön auf diese Form des…

Jetzt weiterlesen für 0,43 €
19.09.2017