Lesezeit 14 Min
Gesellschaft

Israel ist wie eine Ananas-Pepperoni-Pizza

In seiner Heimat zählt Etgar Keret zu den bedeutendsten Schriftstellern der Gegenwart. Er liebt dieses Land – und ist gleichzeitig ein scharfer Kritiker. Woher kommt sein Drang, die Welt zu verbessern?

By Stephan Röhl [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons
von
Anja Reich
Lesezeit 14 Min
Gesellschaft

Etgar Keret, 50, steht vor einem Café in der Dizengoff Straße in Tel Aviv und fragt: "Setzen wir uns rein oder raus?" Drinnen rattert die Espressomaschine, draußen brummt der Verkehr. Keret schlägt vor, zu sich nach Hause zu gehen, da sei es zwar ein bisschen chaotisch, aber leise. Fünf Minuten später stehen wir vor einem dieser weißen kastenförmigen Tel Aviver Bauhaus-Häuser. Der Schriftsteller läuft die Treppe hoch, schließt die Tür auf, ruft seiner Frau Shira zu, er habe eine Besucherin mitgebracht, und stellt Hanso vor, ein weißes Kaninchen, das sein Sohn Lev vor dem bösen Nachbarjungen gerettet hat. Hanso sitzt im Flur, der Sohn ist in der Schule, Shira guckt verschlafen um die Ecke, in der Küche steht das Frühstücksgeschirr auf dem Tisch, ein umgeworfener Wischeimer liegt auf dem Boden. Man kommt sich vor, als sei man in eine von Kerets Geschichten geraten, die vom ganz normalen Alltag einer israelischen Familie handeln, deren Leben alles andere als normal ist.

Sind Ihre Geschichten eigentlich alle wahr?

Nur die meines letzten Buches. Und das war, glaube ich, eine einmalige Sache.

Warum denn das?

Ich hatte nie vor, diese Geschichten zu veröffentlichen, aber ich hatte all diese Notizen aus der Zeit, als mein Sohn geboren wurde und mein Vater starb.

Sie haben Tagebuch geschrieben?

Nicht direkt, ich führe kein Tagebuch, habe ich nie gemacht. Aber wenn mich etwas sehr bewegt, schreibe ich es auf, damit es mein Sohn später einmal lesen kann. Und über meinen Vater habe ich geschrieben, weil ich ihm eine Art Denkmal setzen wollte. Nachdem meine Mutter das Buch gelesen hatte, fragte sie mich: Wann schreibst du die Fortsetzung? Ich sagte, wahrscheinlich, wenn du stirbst.

Die Geschichten, die Sie über Ihre Eltern erzählen, klingen mitunter wie aus einem Drehbuch für eine…

Jetzt weiterlesen für 0,53 €
12.05.2018