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Gesellschaft

„Wir müssen in die Kinder investieren“

Die amerikanische Historikerin Lorraine Daston lebt seit 20 Jahren in Berlin, aber manche Dinge versteht sie immer noch nicht

BERLINER ZEITUNG / PAULUS PONIZAK
von
Anja Reich
und
Holger Schmale
Lesezeit 9 Min
Gesellschaft

Vor 20 Jahren kam sie aus Chicago nach Berlin, konnte kaum Deutsch, fand keine Betreuung für ihre Tochter, und das Restaurant in Mitte, in dem sie mit ihren Kollegen aß, war immer leer. Heute leitet Lorraine Daston das Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Dahlem, arbeitet mit Kollegen aus aller Welt in lichten, modernen Räumen, ein wenig wie in einem Elfenbeinturm – und sorgt sich, dass Berlin, die Stadt, die zu ihrer Heimat geworden ist, ihr Gesicht verlieren könnte.

Frau Daston, Sie sind Institutsleiterin in Berlin und Gastprofessorin in Chicago. Wenn Sie nach drei Monaten hierher zurückkommen, müssen Sie sich dann neu eingewöhnen?

Ja, schon. Insbesondere, weil ich in Dahlem arbeite und in Zehlendorf, in der Nähe des Mexiko-Platzes, wohne. Man vergisst hier draußen manchmal, dass man in einer Großstadt ist. Das kann einem in Chicago nicht passieren. Chicago ist modern, erhaben, am Lake Michigan gelegen, der so groß ist wie das Schwarze Meer.

Oder die Ostsee.

Ja, genau. Man hat dort ein völlig anderes Gefühl. In Berlin ist es, selbst in Mitte, eher die Ausnahme, dass man einen Wolkenkratzer zu sehen bekommt. Berlin ist in jeder Hinsicht flach. Das ist Chicago auch, aber man hat mit den Wolkenkratzern künstlich eine Art Bergkette geschaffen. Berlin dagegen ist flach geblieben, was schön ist für die Radfahrer, aber auch für die Stadt. Man hat immer das Gefühl, in einer…

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04.08.2015