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Kultur

Amerikas Spiegel

Er schrieb die Bücher, die andere nicht zustande gebracht haben, und er lebte sein Leben, indem er darüber schrieb: Philip Roth, einer der bedeutendsten US-Romanciers, starb im Alter von 85 Jahren

von
Arno Widmann
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Seinen 85. Geburtstag hatte er im März noch mitgenommen. Als man ihn da wieder einmal darauf ansprach, ob er es nicht bereue, 2012 mit dem Schreiben aufgehört zu haben, antwortete er: "Ich hatte einfach nicht mehr die geistige Lebhaftigkeit oder die verbale Energie oder die physische Fitness, um einen großen kreativen Angriff auf eine komplexe Struktur wie einen Roman zu starten. Jedes Talent hat seine Bedingungen, seine Beschaffenheit, sein Ausmaß, seine Kraft - nicht jeder kann für immer ergiebig sein."

Ob er Recht hatte? Ich hätte weiter jede Zeile von ihm gelesen. Allerdings genau darum, weil ich seine geistige Lebhaftigkeit und seine verbale Energie liebe. Wenn man Roth liest, wird man zum Leichtathleten. Man hebt keine schweren Gewichte, man kann nicht mit seinen Bizeps prunken, aber man hat das Gefühl, schneller, gelenkiger, lustvoller zu werden.

Niemand liest Philip Roth und fährt danach Fahrstuhl. Nein, man springt die Treppe hoch oder runter. Das war Roths Begabung. Er ließ einen so sehr das Ich seiner Helden spüren, dass man danach verlangte, das eigene zu spüren. Aber keinesfalls nur in Kopf und Herz. Sondern in jedem Muskel. Das Gefühl körperlicher Fitness explodierte aus nahezu jedem Satz von Philip Roth.

Ich weiß nicht, ob John Updike - oder wer auch immer - intelligenter, klüger, gebildeter oder was auch immer war als Philip Roth. Niemand aber ließ einen wie Philip Roth miterleben, wie viel Vergnügen es bereiten kann,…

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24.05.2018