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Das kleinste Erbgut der Welt

Ein US-Forscher hat ein Bakterium geschaffen, das nur 473 Gene besitzt. Weniger als jedes Lebewesen in der Natur.

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von
Rainer Kurlemann
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Das künstliche Lebewesen aus dem Gen-Labor hat nicht einmal einen richtigen Namen erhalten. Das neu erzeugte Bakterium trägt eine schlichte technische Bezeichnung: „Syn 3.0“. In diesem Titel steckt auch eine klare Ankündigung: nämlich, dass bald weitere Versionen des Labor-Organismus folgen werden. Die werden „3.1“ heißen, oder „4.0“ – wenn sie etwas besser funktionieren. Trotzdem ist „Syn 3.0“ der neue Superstar der Gentechnik und der Mikrobiologie. Das Bakterium ist ein Minimalist. Es besitzt nur 473 Gene – ein Rekord. Vergleichbares ist der Natur nicht gelungen.

Der US-amerikanische Gen-Pionier Craig Venter hat das Erbgut des Bakteriums vollständig im Labor hergestellt. Mehrere Jahre testete er, welche Gene überlebenswichtig sind, und für die Konstruktion von „Syn 3.0“ begnügte er sich mit dieser Minimalausstattung. 473 scheint eine Zahl zu sein, die man sich in der Biologie merken muss.

Angst vor dem Organismus aus dem Labor ist fehl am Platz. „Syn 3.0“ eignet sich nicht als Hauptdarsteller für Horrorfilme. Das künstliche Bakterium gehört zu den Mykoplasmen und zeigt große Ähnlichkeiten zu seinen natürlichen Verwandten. Diese Bakterienart besitzt keine Zellwand, die es vor dem Austrocknen schützen würde. Zudem kann „Syn 3.0“ viele der Aminosäuren, die es für den eigenen Stoffwechsel benötigt, nicht selbst produzieren. Der genetische Minimalist ist ausgesprochen empfindlich. Er wächst in der Petrischale nur langsam und kann nur im Labor überleben,…

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16.04.2016