Lesezeit 15 Min
Philosophie

Was bleibt von Heidegger?

Der ehemalige Heidegger-Schüler Rainer Marten, heute einer seiner schärfsten Kritiker, und Peter Trawny, der Herausgeber der »Schwarzen Hefte«, im Gespräch über die Bedeutung von Heideggers Denken – und die Zukunft der Philosophie überhaupt.

I, Zollernalb [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) or CC BY 2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.5)], via Wikimedia Commons
von
Thomas Vašek
Lesezeit 15 Min
Philosophie

Seit den »Schwarzen Heften« besteht für die meisten kein Zweifel mehr: Martin Heidegger war nicht nur ein Nationalsozialist, sondern auch überzeugter Antisemit. Doch umstritten ist weiterhin, was die Enthüllungen für die Einschätzung von Heideggers Philosophie bedeuten. Wir haben zwei der profundesten Heidegger-Kenner zum Streitgespräch gebeten. Der Freiburger Philosoph Rainer Marten, 88, saß selbst in Heideggers Seminaren; die philosophische Verführungskraft seines Lehrers kennt er wie kaum ein anderer. Heideggers Seinsdenken hält er heute für grundfalsch und gefährlich. Peter Trawny, 52, ist Professor für Philosophie in Wuppertal; als Herausgeber der »Schwarzen Hefte« bemüht er sich heute um kritische Distanz zu Heidegger, gleichwohl sieht er bei ihm eine »Erfahrung« des Denkens, die heute noch fruchtbar wirken könne.  In Martens Freiburger Wohnung trafen sich die beiden zum ersten Mal zu einem überaus emotionalen Gespräch.

Hohe Luft: Herr Marten, Herr Trawny, wie haben die »Schwarzen Hefte« Ihr Heidegger-Bild verändert?

Rainer Marten: Das Erscheinen der »Schwarzen Hefte« war ein Donnerschlag, aber der Blitz hatte zuvor gezündet. Das Skandalträchtige war nicht neu. Mit den Heften sind Vertiefungen in altbekannte Dinge gekommen, aber auch neue Aspekte der Vereinzelung dieses Philosophen haben sich gezeigt, von einer Form des Sich-selbst-Mutmachens und Sich-Versteifens. Eines der »großen« Worte für mich lautet: »Keine Macht der Welt und kein Gott wird mein Denken jemals aus der Vereignung in das Seyn selber herausreißen.« Das ist so traurig, so alt, so müde – da sieht man jemanden, der sich ganz in sich selbst hineinsteigert. Und dann diese Obszönität der gespielten humanen Kälte gegenüber allem, was auf der Erde an Furchtbarem, Entsetzlichem unter Menschen geschieht, dem er die Rettung der Menschheit durch sein Denken als einzig von Belang gegenüberstellt. Das ist eine Form der Verblendung. Und wenn man es etwas kleiner will, auch von dreister Dummheit.

Peter Trawny: Für mich war es…

Jetzt weiterlesen für 0,55 €
Nr. 2/2017