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Kultur

Mit dem Herz durch die Wand

Aus dem Nachlass von Rio Reiser wurden 363 Lieder geborgen. Es ist die „Blackbox“ einer deutschen Dichter-Biografie.

By StMatthaeus (Own work) [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons
von
Philipp Holstein
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DÜSSELDORF Er war 14 oder 15, als er merkte, dass er kein Zuhause hatte. Sein Vater arbeitete als Ingenieur bei Siemens und musste ständig umziehen – Berlin, Nürnberg, Stuttgart, Brühl. Und nun saß der Junge also im hessischen Rodgau, las viel und hörte Beatles, Dylan und die Beach Boys. Er mochte Jungs lieber als Mädchen, er fühlte sich einsam, und um seinen Zustand zu beschreiben, änderte er seinen Namen: Aus Ralph Möbius wurde Rio Reiser, und das ist natürlich ein Anklang an den Roman „Anton Reiser“ von Karl Philipp Moritz, das traurigste Buch überhaupt. Lieder komponierte er auch, das tat ihm gut, erst auf Englisch, dann auf Deutsch. Und gleich das erste Stück, das er 1965 in seiner Muttersprache schrieb, ist ziemlich schön: „An einem grauen Dienstag sah ich dein Gesicht / Und plötzlich schien die Sonne und ich verliebte mich / Doch du warst oben, ich war down / Du warst Queen und ich war Clown / Und die Uhr blieb plötzlich stehen / Ich hab dich nie mehr gesehen.“

Rio Reiser ist 1996 gestorben, und dass er ein großer Songwriter war, wusste man schon damals, man muss nur Titel wie „Junimond“, „Wenn die Nacht am tiefsten“ oder „Halt dich an deiner Liebe fest“ nennen. Nun erscheint „Blackbox“, ein mächtiges Paket mit 16 Stunden bislang zumeist unbekanntem Material, das aus dem Nachlass geborgen wurde. Ohne zu übertreiben kann man sagen, dass sich darin einige der wunderbarsten Lieder der deutschen Rockgeschichte finden. Man möchte ständig…

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13.12.2016