Christopher.Michel, Marshall Island
Lesezeit 18 Min
Fernweh

Paradies auf Probe

Die Marshall-Inseln sind 180 Quadratkilometer fester Boden und fast zwei Millionen Quadratkilometer Meer. Trotzdem nennt man die Republik ein Land. Hauptinsel: Majuro. Eine Entdeckungsreise.

CC BY 2.0 Bestimmte Rechte vorbehalten von Christopher.Michel
von
Maik Brandenburg
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Fernweh

Tag 1 - Majuro

Das Schönste ist die Zigarette danach. Ein halber Tag im Flugzeug, eine halbe Weltumrundung, dann der erste Zug. Wer seinen Ausstieg plant, sollte es nicht zu radikal tun. Raus aus der alten Welt scheint leicht. Raus aus der Sucht? Unmöglich. Immer steht eine Bank vor irgendwelchen Flughäfen und daneben ein Aschenbecher. Mein Feuerzeug hat eine der vielen Kontrollen nicht geschafft, ein zahnloser Greis reicht mir seine Streichhölzer.

Vor mir liegt das Meer und hinter mir auch und überall. Ein wunderbares Bild. Doch mit einer grauen Wolke drin: Der Gedanke, dass es ab jetzt kein Entrinnen mehr gibt für die nächsten Wochen. Das Paradies muss funktionieren, auf Teufel komm raus.

Die Marshall-Inseln sind 180 Quadratkilometer fester Boden und fast zwei Millionen Quadratkilometer Meer. Trotzdem nennt man die Republik ein Land. Hauptinsel: Majuro. Ein paar Meter nur hat sich die Insel über das Wasser erhoben, der Ozean duldet diese Anmaßung. Dabei reichte ein pazifischer Rülpser, ein Bonsai-Tsunami, und Majuro und die über 1000 Inseln der Marshall-Inseln wären Geschichte. Eigentlich müsste so etwas Angst machen, doch man ist ja schon im Paradies – was soll also noch passieren? Der Himmel ist blau, das Wasser ist klar, sanft und noch viel blauer. Die Wolken sind weiß, wir rauchen schweigend, ein tiefer Friede legt sich auf mich. Der Alte lächelt. Wahrscheinlich ist er Gott.

Taxi zum „Flame Tree“, meinem Hotel. Majuro ist rund 50 Kilometer lang, höchstens einen halben Kilometer breit. Kaum ein Wagen ohne Automatik, die Fahrer geben kurz Gas, lassen ausrollen und sind da. Wer schnell fährt, schießt womöglich über seine Insel hinaus. Niemand fährt hier, um Zeit zu sparen. Man spart Kraft, wegen der Hitze. Keiner geht, alles schlurft: die Menschen, die Tiere, die Autos. Mein Fahrer lehnt den Kopf an die linke Scheibe, seit Minuten rührt er sich nicht. Schläft er? Er fährt am „Flame Tree“ vorbei, ich stupse ihn an. Er schrickt auf, bremst, hebt die Sonnenbrille an und wischt sich die Augen. „Sorry“, sagt er.

Tag 2

Wiedersehen mit Klaus im Hotel „Outrigger“. Klaus ist ein guter Einstieg in den Ausstieg, er ist der glücklichste Mensch, den ich kenne. Vor zwei Jahren verbrachte ich ein paar schöne Abende mit ihm in der Bar des Hotels. Klaus wohnt hier seit Jahren, die Bar ist sein Wohnzimmer. Er ist an die 60, trägt einen weißen Vollbart, Bierbauch und ein immerfreundliches Gesicht....

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No. 65 - Dezember 2007