Lesezeit 18 Min
Kultur

Nora Bossong

„Ich habe viele nackte Menschen gesehen, und die meisten haben nicht nur Volleyball gespielt.“

NICO WÖHRLE
von
Thomas Hummitzsch
Lesezeit 18 Min
Kultur

Zur Person

Nora Bossong (geboren am 9. Januar 1982) wuchs in Bremen auf und ging dann nach Leipzig, Berlin, Potsdam und Rom, wo sie Literatur, Kulturwissenschaften, Philosophie und Komparatistik studierte. Ihre Texte wurden zunächst in Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht, 2006 debütierte sie mit „Gegend“, dem ersten von bislang vier Romanen. Insbesondere für die Geschichte vom Aufstieg und Fall einer deutschen Unternehmerfamilie „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ (2012) sowie den Roman „36,9°“ über den italienischen Kommunisten Antonio Gramsci (2015) erhielt sie euphorische Kritiken. Nora Bossong wurde unter anderem mit dem Peter-Huchel-Preis, dem Kunstpreis Berlin für Literatur und dem Roswitha-Preis ausgezeichnet. Seit Ende April ist sie Mitglied im Präsidium des PEN-Zentrums Deutschland.

Berlin. Vom schmuddeligen Ende her schlendert Nora Bossong die Berliner Kurfürstenstraße hinauf. Den Straßenstrich zwischen Möbel Hübner und Getränke Hoffmann hat sie hinter sich gelassen, auch die Baustelle für eine Luxus-Shoppingmall, ab hier beginnt der noble Teil der Kurfürstenstraße. Nun steht sie vor dem Stammhaus des Cafés Einstein, wo wir in der Bar verabredet sind. In der unteren Etage verputzt Berlins Polit- und Schauspielprominenz steirisches Backhendl und frische Maischolle, oben redet die Schriftstellerin über die beklemmende Atmosphäre in Sexkinos, die Faszination von Swingerclubs mit Badelatschen und Nudelsalat und nicht zuletzt die Auswirkungen der Recherche im Rotlichtmilieu auf ihre eigene Lust.

Frau Bossong, Sie waren für Ihren Reportageband „Rotlicht“ intensiv in eben diesem Milieu unterwegs. Können Sie mir nach Ihren Recherchen noch unvoreingenommen begegnen oder sind Sie innerlich schon die Möglichkeiten durchgegangen, ob ich ein Tantra-, Swinger- oder Bordelltyp bin?

(lacht) Nein, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Aber jetzt, da Sie fragen, wird mich die Frage die ganze Zeit beschäftigen. Ich sage Ihnen am Ende des Gesprächs, welcher Typ Sie sind, okay?

Gut, darauf komme ich zurück. Hat sich denn generell Ihr Blick auf Männer verändert?

Ich habe Männern gegenüber nicht grundsätzlich mehr Vorbehalte. Es gab allerdings…

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Nr. 23/2017