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Gesellschaft

„Ihr dürft euren Männern ruhig in die Augen schauen“

Schätzungsweise ein Drittel der Flüchtlinge in Berlin sind Frauen. Sie fallen weniger auf als die Männer. Dabei erziehen sie die Kinder und sind vermutlich der Schlüssel zur Integration. Ein Besuch im alten Rathaus von Wilmersdorf bei Frauen aus Afghanistan

Jazzmany / Shutterstock.com
von
Julia Haak
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Gesellschaft

Berlin. Frau Heide hält nichts von schlaffen Muskeln. Schon gar nicht im Bauch einer Frau. Sie ist fast 70 Jahre alt, aber das hält sie nicht davon ab, ihren Bauch zu zeigen. Sieben Frauen sitzen in einem Kreis um sie herum und Frau Heide macht vor, wie man die Muskeln anspannt. "So: hochziehen, loslassen, hochziehen, loslassen. Das macht ihr jeden Tag ein paar Mal. Ihr müsst Euch auch bewegen. Geht spazieren. Nicht im Bett rumliegen. Dann kommt euer Mann und dann: dalab, dalab, dalab", ruft sie und hebt spielerisch drohend den Zeigefinger. Die Frauen kichern. Sie kommen aus Afghanistan und so eine Anspielung auf Sex ist für afghanische Verhältnisse offenbar sehr deutlich. Aber Frau Heide hält klare Ansprache für eine gute Sache.

Es ist Mittwoch um die Mittagsstunde. Die sieben Frauen wohnen in einer Notunterkunft für Flüchtlinge. Es ist das ehemalige Rathaus Wilmersdorf. 1 200 Menschen leben jetzt in den Amtsstuben. In einem kleinen Zimmer im Erdgeschoss hat Frau Heide gerade der hängenden Gebärmutter den Kampf angesagt. Nach vielen Schwangerschaften haben die meisten der Frauen, die hier wohnen, Unterleibprobleme und deshalb auch Rückenschmerzen. Frau Heide predigt dagegen tägliche Beckenbodengymnastik.

Die Zeiten, in denen in Berliner Flüchtlingsheimen nur Männer wohnten, sind lange vorbei. In allen großen Unterkünften leben mittlerweile auch Frauen und Kinder. Im alten Wilmersdorfer Rathaus sind es 399 weibliche Bewohner, ein Drittel. Es gibt einen…

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29.03.2016