
Wettrennen um das künstliche Gehirn
Deep Learning und auf KI spezialisierte Beschleunigerchips sind erst der Anfang. Weltweit arbeiten sich Chipentwickler von der einen und Neurowissenschaftler von der anderen Seite auf ein Ziel zu: Lernfähigkeit und Energieeffizienz des Gehirns zu kopieren. Die nächste Hardware-Generation kommt dem ein gutes Stück näher. Dossier
Von Hardware zu Hirnware
von Christian Honey
Künstliche neuronale Netze schaffen heute Aufgaben, die noch vor zehn Jahren für Computer unlösbar waren. Doch das Gehirn hält noch viele weitere Kniffe bereit, die eine „neuro morphe” Revolution der Hardware auslösen könnten – und damit die Abkehr vom klassischen Computer.
Selbstfahrende Autos, Gesichtserkennung, Sprachassistenten – tiefe neuronale Netze verblüffen mit immer besseren Leistungen. Ihre Arbeitsweise folgt den Prinzipien biologischer Nervensysteme: Neuronen empfangen Signale über Synapsen, verrechnen sie und schicken das Resultat an andere Neuronen. Sie sind in Schichten aufgebaut, und sie lernen, indem sie die Effizienz verändern, mit der Synapsen die Impulse übertragen. So weit, so hirnartig.
Trotzdem sind künstliche neuronale Netzen extrem vereinfachte Abbilder dessen, was Neurowissenschaftler in Gehirnen tatsächlich beobachten. Gehirne sind wesentlich stärker vernetzt, und sie schicken Impulse zwischen ihren Schichten hin und her. Echte Neuronen sind zudem keine eindimensionalen Integrationseinheiten, sondern räumlich ausgedehnte Wesen mit Ästen voller Synapsen. Und sie arbeiten nicht nur digital, sondern integrieren Informationen auch analog.
Einiges spricht dafür, dass diese Unterschiede der Grund dafür sind, warum selbst die modernsten neuronalen Netze auf den besten Supercomputern nicht mit der Auffassungsgabe einer Dreijährigen mithalten. Deshalb arbeiten Industrie und Forschung nun an „neuromorpher“ Hardware, die Architektur und Arbeitsweise des Gehirns so exakt nachbaut, wie es die heutige Chiptechnologie erlaubt. Diese neuromorphen Maschinen sollen kontinuierlich aus Sinnesdaten lernen und Hirnforschern helfen, unser Denken besser zu verstehen.
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Vorbild Biologie: Steve Furber von der University of Manchester entwickelt Prozessoren, die so effi - zient wie das Gehirn arbeiten sollen.
Bild: Chris Foster/University of Manchester
TrueNorth heißt einer der Ansätze. Der Chip ist das Produkt des SyNAPSE-Projekts der US-Forschungsagentur Darpa, verwirklicht von IBM, Hewlett-Packard und dem Hughes Research Lab. Er besteht aus einem Netzwerk aus 4096 „neurosynaptischen“ Rechnerkernen, die parallel die Aktivität von rund einer Million Neuronen simulieren. Jedes Neuron kann 256 Inputs von anderen integrieren und hat dafür individuell programmierbare Input-Kanäle (Synapsen…