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Baum aus Baum aus Baum

Im Nationalpark Bayerischer Wald wird die Natur sich selbst überlassen. Der Schutz der Wildnis, so die Idee, ist auch Schutz des menschlichen Seelenheils.

slightly_different / pixabay.com
von
Frank Patalong
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Der Auerhahn, Tetrao urogallus, ist ein ziemlich bulliges Geflügel. Bis zu sechs Kilogramm schwer werden die Hähne, die von Schnabel bis Schwanz einen guten Meter messen können. Wenn sie sich aufplustern und ihre Schwanzfedern zum Rad aufstellen, erkennt man, was sie sind: Der Auerhahn ist ein sehr großer, massig gebauter Waldfasan.

Nicht, dass man ihn so leicht zu sehen bekäme. Der Biologe Christoph Heibl versucht sogar, ihm so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen. Alles, was er Ende Februar im verharschten Schnee sucht, ist der Kot der Vögel. Mehr braucht er nicht, um ihre Zahl ziemlich exakt zu bestimmen: DNA-Untersuchung macht es möglich. Für den Vogel sei das so besser, sagt er, denn der brauche jetzt vor allem eines – Ruhe.

Der Auerhahn sei nämlich trotz seiner robusten Erscheinung "enorm empfindlich". Woran das liege, sehe man am Kot, den er gerade gefunden und mit den GPS-Daten der Fundstelle gesichert hat: eine hellbraune Wurst von der Länge und Dicke eines kleinen Fingers. Sie sieht aus, als sei sie aus kleinen Nadeln oder Haaren gepresst: "Riechen Sie doch mal!"

Ich lerne: Auerhahnkot riecht wie Latschenkieferextrakt. Das hat einen einfachen Grund. "Der frisst jetzt nichts anderes als Nadeln. Den ganzen Winter kommt der nur damit aus."

Das riecht zwar gut, ist für den Vogel aber nicht unproblematisch. Denn die Nadeln der Bäume sind ein ziemlich ärmliches Gemüse. Sie enthalten so wenig Nährstoffe, dass es gerade so eben reicht, den Vogel zu ernähren. Wird er aufgescheucht und muss sich bewegen, verbraucht er mehr Energie, als er in kurzer Zeit wieder aufnehmen kann. "Und wenn das mehrfach passiert", sagt Heibl leise, "kann es sein, dass er fressend verhungert."

Deshalb schleichen wir mit unseren Schneeschuhen so leise wie möglich durchs Geäst.

Deshalb gibt es keine Wege, weil Menschen hier eigentlich gar nicht…

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Nr. 2/2017