Lesezeit 23 Min
Kultur

Cornelia Funke

„Vergisst man die Wunder in dieser Welt, dann versteckt man sich irgendwann nur noch unterm Bett.“

CHARLOTTE SCHREIBER
von
Björn Eenboom
Lesezeit 23 Min
Kultur

Zur Person

Cornelia Funke wurde 1958 in Dorsten geboren. Nach dem Abitur studierte sie von 1977 bis 1982 Erziehungswissenschaften und Buchillustration in Hamburg. Sie arbeitete zunächst drei Jahre als Erzieherin auf einem Bauspielplatz und begann dann, Kinderbücher zu illustrieren. Da sie mit einigen Manuskripten nichts anfangen konnte, startete sie 1986 mit dem eigenen Schreiben und wurde freischaffende Autorin und Illustratorin. 1988 erschien ihr erstes Buch. In fast 30 Jahren veröffentlichte sie über 50 Bücher mit einer weltweiten Auflage von über 20 Millionen Exemplaren. Funke ist verwitwet, hat zwei Kinder und lebt in Mailbu, Kalifornien.

Hamburg. Ein feiner Nieselregen legt sich wie Feenstaub am Nachmittag über die Stadt. Vor dem Hotel, an den Ausläufern der Außenalster, ist die Szenerie in ein rosa Blütenmeer großer indischer Rosskastanienbäume getaucht. Die passende Atmosphäre für ein Treffen mit Cornelia Funke, dem Superstar unter den Kinder- und Jugendbuchautoren. Bevor es losgeht, blättert sie bei Kaffee und Frankfurter Kranz durch die aktuelle Ausgabe von GALORE. Anschließend nimmt sie sich viel Zeit für das Gespräch und spricht über die Gemeinsamkeiten von Fantasy und Religion, den Schaden, den der Faschismus der deutschen Kultur zugefügt hat und ihr ambivalentes Verhältnis zu Amerika.

Frau Funke, als Kinder- und Jugendbuchautorin ersinnen Sie fantastische Welten. Nehmen Sie auch privat die Welt mit anderen Augen wahr?

Unbedingt, und ich glaube, dass es allen Schriftstellern ähnlich geht, die fantastische Szenarien erfinden. Ich bin ständig verzaubert von dieser Welt und übersetze diese Verzauberung in eine andere Welt, indem ich dieser eine andere Kleidung anziehe und mir immer neue, alternative Formen von Existenz vorstelle.

Ihre fantastischen Welten und unsere Realität haben also viel gemeinsam?

Es gibt ja keine andere Welt, die wir uns vorstellen können. Wir können uns nur diese vorstellen, in immer wieder verschiedenen Formen. Die Vielfalt der Existenz ist der Stoff, den ich erweitere oder vertiefe. Meine Welten sind alle Spiegel dieser Welt.

John Lennon sagte einmal, dass er an Mythen, Feen und Drachen glaube, auch wenn sie nur in seinem Kopf existieren. Geht es Ihnen auch so?

Glauben ist ein interessantes Wort. Ich glaube ganz bestimmt nicht daran, dass sich diese Welt auf das beschränkt, was unsere Augen sehen. Dafür sind allein schon unsere Augen zu beschränkt. Die Augen von Tieren sehen bereits ganz andere Dinge. Es gibt sicher viel mehr, als unsere Schulweisheit bisher in Erfahrung gebracht hat.

Erklären Sie Kindern das auch so?

Wenn Kinder mich fragen, ob ich an Drachen glaube, wird die Antwort darauf schon schwieriger, denn man fühlt sich ja in der Verantwortung. Ansonsten gehen sie los und suchen nach den Drachen. Bei John Lennon wissen wir, dass er ein…

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Nr. 18/2016