Lesezeit 9 Min
Gesellschaft

Und plötzlich war sie nicht mehr da …

Wer ruft einen an, wenn alles mies läuft? Für wen fährt man 400 Kilometer weit, nur um den anderen zu trösten? Unsere Autorin Johanna Mai erlebt all das mit Ela.* Doch zwei Fehlgeburten verwandeln die Leichtigkeit der Studienfreundin in eine Trauer ohne Namen. Und dann, eines Tages, bleibt das Handy einfach stumm

LoloStock/shutterstock.com
von
Johanna Mai
Lesezeit 9 Min
Gesellschaft

Der Tag, an dem ich meine Freundin Ela zum letzten Mal sah, war ein Freitag. Sie war blass, verwirrt und nervös, obwohl sie seit ein paar Tagen starke Beruhigungstabletten nahm. Immerhin: Sie war geschminkt, hatte Blumen mitgebracht und aß Kuchen. Lauter Zeichen, dass es ihr besser geht, dachte ich. Ich weiß noch, wie sie aus der Tür ging. Sie versuchte zu lächeln, ich nahm sie noch einmal in den Arm. Sie wirkte so zart und zerbrechlich, meine Umarmung erwiderte sie kaum. Sieben Tage später war sie tot.

Als ich Ela vor zwölf Jahren über eine Freundin kennenlernte, waren wir Anfang zwanzig, studierten Spanisch und lebten ein paar Monate in Madrid. Ich mochte sie sofort. Ela war sehr lustig, sehr klug und sehr direkt. Sie hatte riesige braune Augen, lange schlanke Beine und ein ansteckendes Lachen. Alles an ihr war extrem. Nach zwei Stunden sagte sie zu mir: „Wir müssen uns bald wieder treffen.“ Ein paar Tage später zog ich bei ihr ein. In ihrer WG war ein Zimmer frei geworden, und ich brauchte eine Unterkunft. Wir kochten, gingen shoppen, redeten bald auch über sehr persönliche Dinge. Wenn Ela etwas wissen wollte, fragte sie, egal, ob es um Sex, Religion, Geld oder die Familie ging. Dabei war sie nie aufdringlich, sondern immer charmant. Einmal gingen wir am Abend noch ins Kaufhaus und suchten Rouge und Lippenstift für uns beide aus. Nachdem wir schon im Schlafanzug auf der Couch gesessen hatten, fiel ihr auf, dass wir die Sachen noch gar nicht ausprobiert hatten…

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Nr. 12/2014