Lesezeit 9 Min
Kultur

Pixel haben keine Seele

Das Theater zwischen digitaler Beschleunigung und multimedialer Entfremdung 

Akos Horvath Photographer/shutterstock.com
von
Detlef Brandenburg
Lesezeit 9 Min
Kultur

Vorspiel im wirklichen Leben

Beginnen wir da, wo das wirkliche Leben unlängst ein ziemlich unappetitliches Drama zum Besten gegeben hat. Beginnen wir mit der Edathy-Affäre. Da hat also ein prominenter Politiker Gefallen an nackten Knaben gefunden. Das ist nach Auffassung unserer zivilisierten Gesellschaft, wie legal oder illegal auch immer, jedenfalls moralisch verwerflich. Und man darf annehmen, dass Sebastian Edathy diese Verwerflichkeit bewusst war. Zuvor war dieser Politiker durchaus gut beleumundet. Im NSU- Untersuchungsausschuss attestierte man ihm engagierte und kompetente Arbeit, er galt als Talent der SPD, empfohlen für höhere Ämter. Man fragt sich, ob nicht ein Mann wie er ein Sensorium dafür haben müsste, was er sich selbst gestatten und seinen Mitmenschen antun sollte und was nicht – ein Sensorium, das man früher etwas altmodisch „ein Gewissen“ nannte, und das dem Menschen half, böse Wünsche, wie sie fast jeder irgendwo in einem Winkel seines Herzens verbirgt, so im Zaum zu halten, dass er damit weder andere noch sich selbst schädigt.

Sebastian Edathy ist ja kein verdrückter Spanner, der in asozialer Lebenseinsamkeit perversen Wünschen frönt. Er war gut vernetzt, eng sozialisiert. Was konnte einen wie ihn so enthemmen? War es vielleicht auch der Umstand, dass das Material zur Befriedigung seiner Begierde so leicht verfügbar war? „Material“ – allein der Begriff ist ja verräterisch. Anders als die in letzter Zeit auf…

Jetzt weiterlesen für 0,46 €
Nr. 6/2015