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Lasst die Väter ran

Studien belegen: Männer zeigen in der Erziehung eigene Qualitäten, die für die Kinder wichtig sind. Noch müssen die neuen Väter ihre Rolle aber erst finden. Überraschend oft sind es die Mütter, die sie daran hindern.

AGATA SZYMANSKA-MEDINA / DER SPIEGEL
von
Kerstin Kullmann
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Titelbild

Krabbelgruppe in Berliner Väterzentrum: Kein Lärm, kein Quengeln, kein Gezeter

Was ist ein guter Vater? „Ich weiß es nicht“, sagt Alexander Herbst. „Was ich aber weiß, ist, dass ich keine zweite Mutter sein will.“

Herbst, 28, sitzt auf dem Teppich seiner Wohnung in Berlin-Weißensee. Er berichtet von den Dingen, die er als Vater nicht kann. Neben ihm krabbelt sein kleiner Sohn, Henri, acht Monate alt. Er hat ihn eben gefüttert und gewickelt. Um die beiden herum liegt Spielzeug verteilt. Herbst streicht dem Kind über den Rücken. Der Junge lacht.

Alexander Herbst erzählt, dass er ein guter Vater sein will. Aber einige Aufgaben, von denen er annimmt, dass man sie von ihm erwartet, schafft er einfach nicht. Er hat es probiert. Er war mit seinem Sohn beim Babyschwimmen, in der Krabbelgruppe. Planschen im warmen Wasser, krabbeln auf Turnmatten. Ist das alles so schwer? „Nein“, sagt Herbst. Er schüttelt den Kopf. „Trotzdem kann ich es nicht.“

Was kann er nicht?

Herbst zögert. Dann klatscht er in die Hände und beginnt, ein Kinderlied zu singen. Es geht um eine Schnecke. Er bricht gleich ab, es ist ihm peinlich. Er sagt: „All das Singen und das Klatschen. Das Rasselnschwenken.“

Wo er hingehe, würden die Mütter Lieder anstimmen, mit dem Kopf wackeln, ihren Babys albern zuwinken. Herbst sagt, ihm sei das zu viel. Er sei gern Vater, er spiele mit Henri, lese ihm vor. Aber sich so zum Affen machen, das könne er nicht.

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Vater Herbst, Sohn Henri

Herbst studiert noch. Seine Frau, eine Biologin, schreibt gerade ihre Doktorarbeit. Das Ehepaar teilt sich die Elternzeit. Seine Frau blieb fünf Monate daheim, bei ihm werden es sechs Monate lang werden. Seit acht Wochen ist er mit Henri zu Hause.

Aber Herbst hat schon jetzt genug davon, ein Mann unter Müttern zu sein. Er fühlt sich wie ein Außenseiter. Als Vater, der sich um sein Kind kümmern möchte, ist er aber keiner mehr. Er sagt: „Ich bin auch gut für den Jungen. Ich mach es nur anders.“

Der Vater war für
 viele Generationen der Mann, über den es hinwegzukommen galt. 

Aber was genau macht er anders? Wie erziehen Väter anders als Mütter? Was hat das Kind davon? Und – noch einmal: Was ist ein guter Vater?

Die schwierigen, die problematischen kennen wir. Der Vater als der Unerreichbare. Der Strenge, der Autoritäre. Der Mann, den man im Grunde nicht kennt. Dessen…

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Nr. 52/2015