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Politik

Warten auf den Ruck

Für Thomas de Maizière müsste die Flüchtlingskrise der Moment sein, in dem aus einem soliden Politiker ein großer Politiker wird. Warum der deutsche Innenminister seine Chance nicht ergreift

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BERLIN. Nun ist er auch noch krank. Ausgerechnet jetzt. Seit Tagen schleppt der Minister eine hartnäckige Erkältung mit sich herum: Nur noch den Koalitionsgipfel will er überstehen, nur noch das Krisen-Interview im ZDF, nur noch seine große Rede in der Haushaltsdebatte. Aber jetzt muss sich Thomas de Maizière doch erst einmal zurückziehen.

In der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in Hohenmölsen, Sachsen-Anhalt, hatte man sich auf seinen Besuch an diesem Donnerstag gefreut. Die Initiative "Willkommen in Hohenmölsen", die sechzig Flüchtlinge vor Ort hilft, hätte die moralische Unterstützung gebrauchen können. Wird leider nichts, sonst fällt der Minister noch um.

Dabei ist er doch der Mann der Stunde. Vielmehr, er müsste es sein: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), 61 Jahre alt, ist kraft seines Amtes verantwortlich für Migration und Integration, für Asyl, aber auch für die innere Sicherheit und den Katastrophenschutz. Wenn Deutschland nun 800 000 Flüchtlinge in einem Jahr aufnehmen soll, wenn derzeit in mancher Großstadt an die tausend Menschen spontan untergebracht werden müssen und dafür Gesetze und Sonderregelungen im Eiltempo verabschiedet werden sollen, muss er das koordinieren. Die Forderungen und Versprechen der Kanzlerin muss er umsetzen. Die Prognose künftiger Asylanträge, die Beschleunigung der Anerkennungen und Abschiebungen, die Sicherheit der Heime vor Anschlägen: alles sein Job.

Früher hätte man gesagt: Er ist…

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11.09.2015