BERLIN. Er könnte sich mitten ins Leben stürzen - ins Sommerfest der Parlamentarischen Gesellschaft. In dem kleinen Garten gegenüber vom Reichstag haben sie Zelte aufgebaut. Es gibt alkoholische Getränke und Musik. Das Wetter ist herrlich. "Da würde ich nur hingehen, um mir das Essenmachen zu sparen", sagt Christian Ströbele, als er von seinem Damenfahrrad absteigt, und schaut vergnügt. Alkohol meidet er ohnehin.
Es ist 20.30 Uhr am Donnerstagabend der vergangenen Woche. Während die meisten Parlamentarier längst in den Feierabend entschwunden sind, eilt der grüne Abgeordnete wieder in den Bundestag. Es geht darum, seinem Fraktionskollegen Volker Beck während dessen Abschiedsrede die Reverenz zu erweisen. Thema ist die Rehabilitierung Homosexueller durch den einst berüchtigten Paragrafen 175.
Christian Ströbele sitzt nun in Reihe vier, neben sich die schwarze Aktentasche und den Gehstock mit dem versilberten Knauf - in sich versunken. Es geht ihm um den Abschied, es geht ihm auch um die Sache. Noch bis in die Achtzigerjahre hinein seien Schwule und Lesben im Hohen Haus ausgegrenzt worden, sagt Ströbele, der kürzlich 78 geworden ist. Jetzt stellt das gleiche Hohe Haus fest, dass ihnen Unrecht geschah. "Solche Erlebnisse habe ich immer wieder: Die Welt und die Gesellschaft haben sich verändert. Und dazu haben wir beigetragen. Ich auch." Wir - das sind die 68er.
Viele Jahre hat Christian Ströbele im Bundestag gesessen. 1985 war…
