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Eine Frage der Ehre?

Die gute Nachricht: Deutschland spielt auch 2017 in der Weltgruppe im Davis Cup. Die schlechte: Ein verschworenes Team ist nicht in Sicht. Weil der Egoismus siegt

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von
Andrej Antic
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Deutsche Davis Cup-Partien sind der Sto für die ganz großen Dramen: der erste Sieg 1988 in Göteborg, als Charly Steeb die Nummer eins Mats Wilander schlug und Boris Becker & Co. ihren Kapitän Niki Pilic um Mitternacht in Göteborg im Schlafanzug in eine Disco schleiften. Oder der zweite Triumph ein Jahr später, als das 3:2, wieder gegen die Schweden, per Tortenschlacht im VIP-Bereich der HannsMartin-Schleyer-Halle in Stuttgart gefeiert wurde. Oder 1987, als „Bobbele“ die Amerikaner um John McEnroe beim legendären Sieg im Abstiegsmatch in Hartford, Connecticut, fast im Alleingang besiegte und BeckerImpresario Ion Tirac eine Flagge „so groß wie ein Haus“ in den Händen des Jung-Siegfrieds gesehen haben wollte.

Davis Cup war die ganz große Liebe

Davis Cup und Tennis-Deutschland das war Liebe und Leidenschaft in schwarz-rot-gold, untermalt von rhythmischem Klatschen und Fahnenschwingen. Ganz zu schweigen von den TV-Sendungen auf ARD und ZDF, die entfielen oder verschoben werden mussten, wenn die Lieblinge der Nation über fünf Sätze ohne Tiebreak kämpfen. Wie war das noch beim tapferen Becker gegen den fiesen McEnroe in Hartford, als Millionen Zuschauer in der Nacht den Fernseher eingeschaltet hatten? 4:6, 15:13, 8:10, 6:2, 6:2 – unglaublich! Spielzeit: irgendwas über sechs Stunden. Als das Match beendet war, griff Pilic zum Hörer, rief seine Frau in München an und erzählte fasziniert: „Wir führen 2:0 gegen Amerika!“ Worauf die Gattin am Ende des Gesprächs fragte: „Hast du nicht etwas vergessen?“ Und als Pilic nicht wusste, was sie meinte, sagte sie es ihm: „Ich habe heute Geburtstag.“

Nostalgie. Die Schatztruhe der Geschichte. Wahr ist: Deutsche Davis Cup-Partien bieten immer noch den Stoff für große Dramen. Aber es sind meist die nicht so schönen, die nicht auf dem Platz stattfinden. Es ist oft ein verwirrendes Knäuel von Hintergrundgeschacher, SMS-Nachrichten und sich widersprechenden Aussagen. Wer hat wann was gesagt? Wer hat wann welche SMS geschrieben? Wann wurde sie gelesen? Wie…

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Nr. 11-12/2016