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Technik

Science, die nach Fiction klingt

Diese sieben Naturphänomene sind kaum zu glauben – aber trotzdem wahr. Nun wollen Forscher sie nutzen, um neue Technologien zu entwickeln.

Fotocitizen / pixabay.com
von
Wolfgang Richter
,
Nike Heinen
,
Wolfgang Stieler
und
James Temple
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Technik

Der eigentlich unmögliche Motor

von Wolfgang Richter

Ohne Tank und ohne Batterie: Forscher wollen Maschinen mit purer Information antreiben. Möglich machen soll es das seltsame Feld der Quantenthermodynamik.

Stellen Sie sich vor, Sie machen eine Probefahrt mit einem Sportwagen. Verwundert stellen Sie fest, dass er weder einen Tank hat noch eine große Batterie. Dafür entdecken Sie im Kofferraum eine Festplatte. Nach der Probefahrt steckt der Verkäufer im Autohaus ein dickes Kabel an die Festplatte, drückt ein paar Knöpfe und erklärt strahlend: „Nur noch löschen, was der Computer während der Fahrt draufgeschrieben hat, dann läuft er wieder.“ Information als eine Art inverser Treibstoff, den man mithilfe von elektrischer Energie löschen muss, damit der Tank wieder „voll“ ist – das ist die Idee einer brandneuen Forschungsrichtung, die erst in den letzten fünf Jahren so richtig an Fahrt aufgenommen hat: der Quantenthermodynamik.

Um deren Erkenntnisse zu verstehen, muss man sich kurz ihrer klassischen Schwester zuwenden, der Thermodynamik. Als Dampfmaschinen und -lokomotiven im 19. Jahrhundert ihren Siegeszug antraten, rief dies auch die Theoretiker auf den Plan. Sie untersuchten die elementaren Vorgänge in diesen Maschinen und postulierten dazu mehrere „Hauptsätze“ genannte Regeln, ohne die das Zusammenspiel der Kessel und Kolben wohl nicht funktionieren würde.

Der „erste Hauptsatz“ besagt, dass sich die Energie in einem System nur dann ändern kann, wenn Wärme oder Arbeit zu- oder abgeführt wird. Der „zweite Hauptsatz“ setzt noch eine schärfere Regel obendrauf: Wärme kann nicht von selbst von einem Körper niedriger Temperatur auf einen Körper höherer Temperatur übergehen. Es gibt also eine Vorzugsrichtung für die Übertragung von Wärmeenergie. Der Physiker Rudolf Clausius führte 1865 eine dazu passende abstrakte Größe ein: die Entropie. Sie wird auch als „Maß für Unordnung“ bezeichnet und kann nur gleich bleiben oder größer werden. Wenn beispielsweise ein Eiswürfel in einem Glas Wasser schmilzt, wird die geordnete Eiskristallstruktur in eine ungeordnete Bewegung einzelner Wassermoleküle überführt. Die Entropie des Wassers aus dem Eiswürfel nimmt dabei zu. Nie wird es passieren, dass sich aus dem nun etwas abgekühlten Wasser spontan wieder ein Eiswürfel erhebt.

»Der Quantenkosmos hält sich nicht an Regeln der Thermodynamik.«

Tobias Schätz, Universität Freiburg

Daraus folgt unter anderem, dass alle Wärmekraftmaschinen, dazu gehören Dampfmaschinen und Verbrennungsmotoren, nur einen bestimmten, maximalen Effizienzgrad erreichen können: den nach dem Ingenieur Sadi Carnot benannten „Carnot-Wirkungsgrad“. Ein Perpetuum mobile, das aus Wärme mechanische Arbeit und aus mechanischer Arbeit Wärme erzeugt und sich so unendlich weiterbewegt, ist demnach unmöglich.

Gelten diese Regeln immer noch, wenn man von der Alltagswelt in die der Atome und Moleküle hinabsteigt? Manche Forscher glauben das nicht, wie zum Beispiel Tobias Schätz von der Universität Freiburg. „Es wäre absurd anzunehmen, dass sich der Quantenkosmos in kleinen Systemen einfach an die Standardregeln der Thermodynamik hält“, sagt er. Schätz hat mithilfe von fünf Ionen in einer elektromagnetischen Falle einen mikroskopisch kleinen Kristall gebaut. Ein angeregtes Ion kühlt sich darin ab, indem es seine Energie als Schwingung an den Kristall abgibt. In einem makroskopischen Kristallgitter würde sich diese Schwingung einfach irgendwann totlaufen, erklärt Schätz. Doch in diesen kleinen Dimensionen wirft das Ende des Kristalls die Schwingung zurück – und das Ion wird wieder angeregt. Wärme…

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Nr. 07/2018