Lesezeit 15 Min
Technik

Künstlerische Intelligenz

Auf der Suche nach Inspiration greifen sogar Entwickler des Silicon Valley zu Drogen. Dabei existiert eine bessere Möglichkeit: Computer. Sie erschaffen Spiele, schreiben Texte, malen Bilder. Das ist der Beginn einer kreativen Revolution – die dem Menschen nutzen wird.

WOLFGANG STIELER / DEEP DREAM
von
Wolfgang Stieler
Lesezeit 15 Min
Technik

Ein „Zehner“, sagt der Psychologe und Kognitionsforscher James Fadiman, und der Tag ist dein Freund. Zehn Mikrogramm LSD am Morgen jedes vierten Tages machen positiv, locker, gelöst, offener und geduldiger gegenüber nervigen Zeitgenossen – und vor allem kreativer, behauptet Fadiman. Ohne Rausch, ohne Kontrollverlust, ohne Nebenwirkungen. Seit Fadiman das Rezept für „Microdosing“ 2011 in seinem Buch „The Psychedelic Explorer's Guide: Safe, Therapeutic, and Sacred Journeys“ veröffentlichte, hätten ihn „Hunderte von E-Mails“ erreicht, die seine These bestätigen. Woher sie vor allem kamen? Aus dem Silicon Valley.

Das ist wenig erstaunlich. Erstens herrscht im kreativen Epizentrum der IT-Welt ein mörderischer Wettbewerb der Ideen. 90 Prozent aller Start-ups scheitern. „Disruption“ ist der Heilige Gral der Industrie: Inkrementelle Verbesserungen interessieren keine Investoren. Kein Wunder, dass es Menschen gibt, die bei der verzweifelten Suche nach neuen Ideen auch zu chemischen Hilfsmitteln greifen.

Zweitens ist James Fadiman nicht irgendwer. Bereits 1966 untersuchte er im Auftrag der International Foundation for Advanced Study im kalifornischen Menlo Park, ob halluzinogene Drogen die Kreativität steigern können. In ihrem berühmtesten Experiment sollten 27 Testpersonen Probleme benennen, für die sie trotz intensiver Arbeit bisher keine Lösung gefunden hatten. Anschließend verordneten die Forscher ihnen einen Mescalin-Trip. Eine Woche danach sollten die Versuchsteilnehmer erneut ihre schwierigen Aufgaben bearbeiten. Die Gruppe bestand aus sechzehn Ingenieuren, einem Physiker, zwei Architekten, zwei Mathematikern, einem Psychologen, einem Designer, einem Künstler und drei Managern. Für 44 von 48 Problemen fanden sie tatsächlich eine Lösung – darunter ein neues Modell für die Beschreibung von Photonen, Verbesserungen an der Technologie von Tonbändern oder Ideen für den Entwurf von unbemannten Raumfahrtsonden. Doch kurz nach den Experimenten wurde LSD in den USA verboten, die Forschung mit diesen Drogen ausgesetzt.

Jetzt weiterlesen für 0,54 €
Nr. 5/2016