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Technik

Die Schutzbrille

Maschinelles Lernen hat die Fähigkeiten von Gesichtserkennungssoftware massiv verbessert. Aber Forscher haben bereits Methoden gefunden, um sie auszutricksen.

MAHMOOD SHARIF/ CARNEGIE MELLON UNIVERSITY
von
Wolfgang Stieler
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Technik

In Wuzhen braucht man keine Tickets mehr. Das malerische Museumsdorf 120 Kilometer südwestlich von Shanghai, das durchschnittlich rund 5000 Besucher pro Tag besichtigen, testet seit Mitte 2016 eine brandneue Gesichtserkennung des chinesischen Internetgiganten Baidu: Gäste, die in den zugehörigen Hotels einchecken, werden automatisch und diskret von Videokameras erfasst, die Baidu-Software errechnet aus den Bildern typische Merkmale des Gesichts, die von ähnlichen Systemen an den Eingängen der Sehenswürdigkeiten in Echtzeit erkannt werden. Anders als bei herkömmlichen biometrischen Zugangssystemen soll es hier keine umständliche Registrierung geben, keine Warteschlangen und keinen ernsten Blick in die Kamera.

Das chinesische Beispiel zeigt: Gesichtserkennung ist erwachsen geworden. Nicht nur Baidu, auch seine westlichen Konkurrenten Facebook, Google und Microsoft investieren massiv in die Technik. Lagen die Erkennungsraten vor einigen Jahren noch um die 70 Prozent, ziehen die besten Systeme heute mit Menschen gleich oder überholen sie. Die US-Standardisierungsbehörde NIST etwa misst in regelmäßigen Abständen die Performance kommerzieller Gesichtserkennungssoftware. In ihrem jüngsten, 2014 veröffentlichten Bericht konnte der beste Algorithmus von NEC ein Bild in rund 95 Prozent aller Tests dem Äquivalent in der Datenbank mit 1,6 Millionen Bildern zuordnen. Politiker wie der deutsche Innenminister Thomas de Maizière wollen die neuen technischen Möglichkeiten daher…

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Nr. 2/2017