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Technik

Das neue Superwerkzeug

Gene Editing revolutioniert die Gentechnik und ermöglicht völlig neue Kreationen. Genforscher aus aller Welt diskutieren ihre Anwendungen.

TarikVision / shutterstock.com
von
Sascha Karberg
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Die Ärzte waren am Ende. Eine Chemotherapie-Infusion nach der anderen hatte das Mädchen bereits bekommen. Doch auch nach einer Knochenmarktransplantation tobte der Blutkrebs in Laylas Gefäßen weiter. Im Juni vorigen Jahres war das elf Monate alte Kind so krank, dass die Ärzte des Londoner Kinderkrankenhauses Great Ormond Street Hospital (GOSH) einen verzweifelten Vorschlag machten. Es gäbe da in ihrem Gefrierschrank einen Glaskolben mit ganz besonderen Immunzellen. Die T-Zellen seien von Genchirurgen an vier Stellen im Erbgut so verändert worden, dass sie im Körper fremder Menschen Krebszellen jagen und zerstören können.

Dieses umfassendste Gentuning, das je als Therapieansatz erwogen wurde, war nur möglich, weil die Werkzeuge der Gentechnik inzwischen eine völlig neue Dimension erreicht haben. Vor 25 Jahren, beim ersten Gentherapieversuch an einem Menschen, konnten Forscher Gendefekte noch nicht reparieren, sondern schleusten intakte Ersatzgene in die Zellen ein. Und um Bakterien, Pflanzen oder Tiere mit bestimmten Eigenschaften auszustatten, mussten zusätzliche Gene, mitunter gar artfremde, mit den gewünschten Merkmalen (Transgene) transplantiert werden.

Doch die Zeiten solchen Stückwerks sind vorbei. Inzwischen gibt es eine Reihe von Genscheren, die im mehr als drei Milliarden Bausteine großen Erbgut zielgenau diejenige Stelle finden, an der sie die DNA zerschneiden und die Erbgutsequenz nach Belieben anpassen sollen – Zinkfinger, Talen oder CRISPR genannt. Die Herstellung der Zinkfinger- und Talen-Scheren war noch mühsam und kostspielig, weil sie für jeden anvisierten Erbgutabschnitt neu designt werden mussten. Die CRISPR-Schere hingegen bleibt immer gleich. Sie lässt sich zu jeder beliebigen Erbgutsequenz führen, indem man ihr einfach ein Stück der…

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Nr. 6/2016