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„Unser Gedächtnis ist wie ein Notizbuch“

Denn wir fügen ihm ein Leben lang Dinge zu, streichen andere durch oder schreiben sie um. Psychologe Douwe Draaisma darüber, warum uns die Zeit vor 30 am präsentesten ist und wieso wir Erinnerungen immer wieder anders abspeichern

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von
Anne Pek
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Sein erstes publikumswirksames Buch schrieb Douwe Draaisma (63) „als Geschenk für sich selbst“. Weil der Niederländer zum Beispiel wissen wollte, warum wir uns an kaum etwas aus unseren ersten Lebensjahren erinnern. Oder wie man vor der Erfindung des bewegten Bilds den Mein-Leben-zog-an-mir-vorbei-wie-ein-Film-Effekt in Worte fasste.

Fragen, die offenbar viele Leser neugierig machten, und so wurde Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird zu einem weltweiten Erfolg. 20 Übersetzungen sind bislang erschienen, darunter eine koreanische und eine äthiopische.

Inzwischen ist Douwe Draaisma, Professor für die Geschichte der Psychologie in Groningen, schon etliche Bücher weiter. In diesem Sommer erschien sein siebtes, Halbe Wahrheiten, zeitgleich auf Niederländisch und Deutsch. Thema darin ist, wie wir auf unsere Erfahrungen zurückblicken und Erinnerungen sich im Laufe unseres Lebens ziemlich verändern können.

Halbe Wahrheiten ist auffällig persönlich. So verarbeitet Draaisma darin Erinnerungen an Bibelgeschichten, die sein Vater früher nach dem Abendbrot vorlas. Auch die Popmusik, die er als Jungspund gehört hat, kommt zur Sprache. Allen voran die britische Kultband Cream, die sich 1968 im Streit trennte und für die Gitarrist Eric Clapton 2005 eine Wiedervereinigung organisierte. Draaisma nutzt den Werdegang von Cream als roten Faden in seiner Ausführung über, wie er sie nennt, „meine Zeit“. Jeder jenseits der…

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Nr. 4/2016