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„Facebook ist mein Gedächtnis“

An eine besondere Reise oder ein schönes Konzert erinnern sich diese Menschen kaum. Sie vergessen sogar, was sie eine Minute zuvor gesagt oder getan haben. Wie lebt es sich mit einem geschädigten Kurzzeitgedächtnis?

LINELLE DEUNK
von
Anouk Tulner
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„Ohne Navi konnte ich den Supermarkt nicht finden“

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Anouk (50) wurde mit 28 Jahren wegen einer angeborenen Verwachsung in ihrem Gehirn operiert – seither fällt ihr Erinnern schwer

Anouk (50) wurde mit 28 Jahren wegen einer angeborenen Verwachsung in ihrem Gehirn operiert – seither fällt ihr Erinnern schwer

„Im Krankenhaus entfernte man möglichst viel Gewebe, so verlor ich mein Kurzzeitgedächtnis. Als ich Wochen später nach Hause kam, sah mein Leben völlig anders aus. Für Wege, die ich schon unzählige Male gegangen war, wie zum Supermarkt und zu meinen Eltern, brauchte ich ein Navigationsgerät.

Mein Freund machte mit mir Schluss, was sehr wehtat. Ich war nicht mehr die Frau, in die er sich verliebt hatte. An diesen Moment erinnere ich mich noch sehr genau. Wir gingen im Stadtpark spazieren. Da ich nicht allein wohnen konnte, zog ich wieder zu meinen Eltern. Zehn Jahre lang wurde mein Gedächtnis trainiert, und ich habe gelernt, mit Zeitplänen und Tricks zu leben. Ich kann mir Dinge zum Beispiel besser mit Alliterationen merken: Donnerstags kommt Daisy, die Putzfrau; die Praxis des Psychologen ist im Parterre. Und überall hängen Zettel.

Wenn ich morgens aufstehe, greife ich sofort zu meinem Kalender: Welchen Tag haben wir? Was ich erlebe, poste ich auf Facebook. Dann kann ich mir ansehen, wo ich war und mit wem. Ich habe gelernt, offen mit Irrtümern…

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Nr. 3/2017