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Der Rausch der Entsagung

Regelmäßig fasten, die Heizung runterdrehen, Yogaübungen in fast tropischer Hitze: Sich schinden scheint das neue Genießen zu sein. Warum aber sind wir so scharf auf diese modernen Formen der Selbstkasteiung? Und: Bringen sie überhaupt etwas?

ERIC VAN DEN ELSEN
von
Chantal van der Leest
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Kleine Schritte – wer langsam geht, kommt auch ans Ziel. Gesundheitsexperten ermahnen uns fast unisono, bloß nichts zu überstürzen, wenn wir gesünder leben wollen. Und Studien zeigen, dass gerade kleine Verhaltensänderungen öfter zu dauerhaften Ergebnissen führen; radikales Vorgehen halten wir meist nur kurzfristig durch. Aber hören – wollen wir darauf nicht. Wir machen lieber große Sprünge, selbst wenn sie uns Blut, Schweiß und Tränen kosten. Doch warum glauben wir, dass Sport und Diäten erst sinnvoll sind, wenn wir dafür so richtig Opfer bringen müssen?

Erstens: Weil es für unser Selbstvertrauen wichtig sei, immer schwieriger zu erreichende Ziele anzuvisieren, sagt Sportpsychologe Gerald Weltevreden. An der Universität von Amsterdam untersucht er, was Menschen zu sportlichen Leistungen anspornt. „Mit fünf Jahren ist es super, wenn man schon Rad fahren kann. Aber nur ein, zwei Jahre später zieht man daraus kein Selbstvertrauen mehr.“ Es macht also kaum jemanden stolz, dass er zum Supermarkt gelaufen (statt gefahren) ist oder einen ganzen Apfel gegessen hat. Weltevreden: „Bleibt man ständig in der eigenen Komfortzone und wagt sich nur an leicht zu bewältigende Dinge, sinkt das Selbstvertrauen.“

Aber auch ein zu schwieriges Ziel drückt Dellen ins Selbstvertrauen. Daher legen wir die Latte schon hoch – aber nicht zu hoch. „Man kriegt mehr Selbstbewusstsein, wenn man etwas versucht – und es gelingt“, sagt Weltevreden. „Und das ist, kurz gesagt, auch das,…

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Nr. 1/2018