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Gesellschaft

Bin ich schon psycho?

Wir sortieren zwar keine Suppennudeln, dafür unsere Bücher nach Farben oder können an keinem schief hängenden Bild vorbeigehen. Irgendeine Macke hat doch jeder. Aber wann handelt es sich um einen Spleen, wann um einen echten Psycho-Tick?

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von
Friederike Schön
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Gesellschaft

Den ersten handfesten Hinweis bekam ich von einem Mann, den ich noch nicht sehr lange kannte. Eines Abends saßen wir gemütlich auf meiner Couch und tranken Wein, als er mich plötzlich komisch ansah und sagte: „Deine Bücher machen mir Angst.“ Wie er das meine, wollte ich wissen. Sie seien so akkurat nach Größe und Farbe geordnet, das komme ihm irgendwie neurotisch vor. Ob das ein Tick von mir sei und ob ich noch mehr davon hätte. Hatte ich.

Der Mann war bald abserviert – meine Bücherordnung behielt ich bei. Inzwischen weiß ich es genau. Ich brauche das: Ordnung. Auf meinem Teller, im Regal, im Büro. Anscheinend gehören ein paar Ticks und Schrulligkeiten genauso zu mir wie mein Lieblingskleid und mein Faible für scharfe Gerichte. Und bis dato fand ich das auch ganz normal. Schließlich kenne ich es gar nicht anders: Meine Vorliebe für Symmetrie begleitet mich, seit ich mich erinnern kann. Wenn mir jemand als Kind ein Bonbon anbot, fragte ich immer nach zwei, das andere für die Jackentasche. In „Schönschreiben“ trieb ich meiner Lehrerin Tränen in die Augen. Einmal verprügelte ich den Bruder einer Freundin. Er hatte die feinsäuberlich sortierte Auslage meines Kaufmannsladens verwüstet. Mein Zimmer durfte er danach nie mehr betreten.

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Nr. 5/2015