Lesezeit 9 Min
Fernweh

Testaccio

Den Tiber abwärts trifft man auf ein überraschend buntes Viertel. An einem Hügel aus Millionen Scherben ist Rom Weltstadt und Dorf zugleich

GERALD HÄNEL
von
Birgit Schönau
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Fernweh

Wie bitte? Ob die Sepias frisch sind? Danilo Mastroianni hält die Luft an und schleudert Blitze durch seine Brillengläser. »Die leben noch, Signora!« Genau wie die Goldbrassen, die Sardinen und die Rotbarben in Mastroiannis Fischbude in der Markthalle von Testaccio. Wie zum Beweis schnappt sich der Händler einen der noch schwarz verfärbten Tintenfische und schwingt ihn durch die Luft. »Geputzt und die Tintenblase schön extra verpackt?« Die Kundin nickt, ihr Sepia-Risotto schon schwarz und sämig vor Augen. Am Marktstand gegenüber wird sie noch Sellerie und Tomaten dafür kaufen. Aber so schnell lässt Danilo sie nicht weg. »Probieren Sie mal diese gamberi«, säuselt er und greift eine purpurfarbene, fette Garnele aus dem Eis. »Die Roten aus Apulien, das Beste vom Besten. Roh können Sie die essen, eine Leckerei! Ich gebe Ihnen noch einen Spritzer Zitrone drauf.« Die Signora kostet, lächelt. Und schon ist Mastroianni die Tierchen los.

Danilo beherrscht sein Geschäft, schließlich ist er Fischhändler seit über 30 Jahren. Gleich nach der Hauptschule stieg er bei seinem Vater Alvaro ein, der seinerseits schon als Junge Fische verkaufte. Gelegentlich schaut der hochbetagte Patriarch noch nach dem Rechten. Doch morgens um halb vier zum Großmarkt fahren, den Fisch holen und verkaufen – das tut der alte Mastroianni nicht mehr, nach sieben Jahrzehnten harter Arbeit ist endlich ausruhen angesagt. Auf dem Markt ist er ohnehin dauerpräsent, die…

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Nr. 5/2015