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Fernweh

Meine wilden Jahre

105 Einwohner auf einem platten Stückchen Erde im Meer – kann man so eine aufregende Jugend erleben? Ja, man kann. Unser Autor verbrachte die beste Zeit seiner Pubertät auf der Hallig Hooge

Insubria / pixabay.com
von
Jan Keith
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Fernweh

Es gab Zeiten in meinem Leben, da war ich 51 Wochen im Jahr der Verlierer. Und eine Woche ein König. Der König von Hooge.

Warum das so war? Es hat mit zwei Dingen zu tun. Erstens mit Hooge selbst, jener zweitgrößten deutschen Hallig, auf der, abseits vom Rest unseres Landes und von der Nordsee umspült, gerade einmal 105 Menschen wohnen. Und zweitens mit mir. Oder besser gesagt: damit, wie die Menschen mich wahrnahmen.

Fangen wir mit mir an. Als ich mit zehn Jahren aufs Gymnasium in Köln kam, war ich einen Kopf kleiner als andere Jungs in meiner Klasse. Ich sprach leise, ich prügelte mich nicht, ich riss keine Dumme-Jungen-Sprüche, ich war schlecht in Sport, weil meine Beine so kurz waren, ich hatte Schlitzaugen und (später, mit zwölf oder 13) Pickel im Gesicht, die ich mit meinem Ponyschnitt zu verdecken versuchte, zumindest die Riesenpusteln auf der Stirn. Ich war Klassenbester, ohne dafür etwas zu tun. Ich aß Sushi in der Pause, weil meine japanische Mutter es gut mit mir meinte. Und ich hatte immer genug Geld dabei (weil ich als Einziger in meiner Klasse 15 Kilometer weit weg wohnte und meine voll berufstätigen Eltern sichergehen wollten, dass ich es nachmittags nach Hause schaffe, zur Not mit dem Taxi).

Ich war also ein schüchterner halb japanischer Junge aus gutem Haus. Für die Jungs in meiner Klasse aber war ich ein Langweiler. Ein stiller, pickliger Streber, und Snob noch dazu. Mit mir sprachen sie nur, wenn es darum…

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No. 122, Juni/Juli 2017