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Kultur

Die gute Nachbarschaft

Fisch-Schmidt ist die älteste Fischhandlung Berlins. Tief in Kreuzberg führt Ayşe Andiç nach drei Generationen das Erbe der Vorbesitzer fort. Sie würde nie den Namen über der Ladentür ändern

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von
Martina Wimmer
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Jeden morgen kam Ayşe Andiç auf dem Schulweg an Fisch-Schmidt vorbei. Lief die Wrangelstraße lang durch Kreuzberg, zwei Blocks entfernt von der Mauer, die die Stadt teilte. Mit zwölf war sie 1981 aus Anatolien gekommen, der Vater baute die U-Bahn in Berlin. Sie mochte diese Stadt, diese Ecke, sofort. Komisch nur fand sie, was man durchs Schaufenster im Haus Nr. 82 sehen konnte. In der Türkei kennt man keine Bücklinge und Sprotten, wie sie damals bei Fisch-Schmidt glänzend um die Gunst der Käufer warben. „Sie essen in Deutschland goldene Fische“, dachte Ayşe und schickt der Erinnerung ein Lachen hinterher.

Heute nennen sie Ayşe hier im Kiez die Meerjungfrau, die Leute kommen aus der ganzen Stadt, um ihren Heringssalat zu kaufen. Und wenn sie im Hinterzimmer des Fischfachgeschäfts Schmidt über der Schreibarbeit stöhnt, ist sie froh, dass es nicht geklappt hat mit dem Berufswunsch Bürofachkraft zu werden. „Fischfachgeschäft“, der alte Herr Schmidt hat es ihr so beigebracht, weil nur diese Bezeichnung die Sorgfalt verheißt, die es braucht, um guten Fisch zu verkaufen.

Fisch-Schmidt ist die älteste Fischhandlung Berlins. 1908 kam der erste Schmidt von der Ostsee und eröffnete das Geschäft, 1930 übernahm sein Sohn, setzte nach dem Krieg die Trümmer des Ladens wieder zusammen, übergab 1961 an Günter Schmidt, den Dritten. Der wurde Vorstand des Fischeinzelhandelsverbands und Ausbilder für Fachverkäufer, seine Frau Roswitha eine Meisterin der Marinaden.…

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