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Geschichte

Der Vier-Stunden-Krieg

Der erste Schuss der französischen Marine im Ersten Weltkrieg fiel im Hafen von Tahiti. Die Gegner waren übersteigerter französischer Chauvinismus und dumpfer deutscher Militarismus

von Unbekannt (Forum 14-18) [Public domain], via Wikimedia Commons
von
Karl Spurzem
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Geschichte

Krieg hat so viele Ursachen, Motive und Auslöser, wie es Kriege gibt. Keiner gleicht dem anderen, und die 14 400 Kriege, die die Menschheit bisher ertragen musste, waren – entgegen den vorgeblich rationalen Interessen, die sie durchzusetzen beabsichtigten – fast immer irrational. Das grausame Spiel bewaffneter Mächte hat etwas Absurdes; es ist sinnlos, unvernünftig, manchmal auch komisch und oft sogar lächerlich.

Lächerlich war auch der kriegerische Akt, der sich zwischen zwei europäischen Staaten denkbar weit abseits, mitten im Pazifik, ereignete; und die Tatsache, dass er an einem Ort stattfand, der als Inbegriff paradieshafter Friedfertigkeit gilt, macht ihn umso lächerlicher. Es geht um einen Treppenwitz der Geschichte.

Der Akt spielte in der achten Woche des Ersten Weltkriegs, dieser Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, der die halbe Welt in Brand setzte – und ein Städtchen in der Südsee, 16 000 Kilometer entfernt vom Massensterben der Franzosen und Deutschen an der Maas. Die Akteure waren ein französischer Offizier, ein deutscher Vize-Admiral, vier Schiffe und einige Kanonensalven.

Lieutenant Maurice Destremeau, gerade 39 Jahre alt, war der Garnisonschef in Papeete, der Hauptstadt Französisch-Polynesiens, in der in jenen Jahren kaum 5000 Einwohner ein friedliches, weltabgewandtes Leben als Bauern, Fischer und Koprahändler lebten. Die Tahitianer nannten Destremeau tomana api, „den Neuen“; er war Herr über 25 Soldaten, 20…

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No. 116 - Juni/Juli 2016