Das Gift der Leidenschaft
Je bunter, desto besser – Meeresaquarianer sind verrückt nach tropischen Fischen. Nachschub bekommen sie aus Asien. Dort gehen Fischer mit Zyanid auf Jagd und verwüsten die Riffe.
Das Meer ist blau, die Giftwolke auch. Ein Spritzer aus der Babyflasche, schon ergießt sich azurblauer Nebel über der Koralle. Der Effekt tritt schlagartig ein. Bunte Fische fallen wie marines Laub auf den Meeresboden, andere schwimmen orientierungslos umher. Der Mann mit dem langen Schlauch im Mund muss sie nur einsammeln. Eine Stunde braucht er, dann ist die Flasche geleert und seine Plastikbox voll. Er zieht am Schlauch, das Zeichen an seinen Partner oben, dass er gleich hochkommt.
Mariano hilft Marco ins Boot. In der Ferne sind die Umrisse von San Andrés zu erkennen, einer Insel ein paar hundert Kilometer von Manila entfernt. Am Morgen sind sie los, haben die Bucht hinter sich gelassen; jetzt sind sie auf dem offenen Meer. Seit einem Jahrzehnt machen sie diesen Job. Früher haben sie in Ufernähe gefischt. Heute müssen sie weit hinausfahren, oft stundenlang.
Dafür ist hier, 15 Kilometer vor der Küste von San Andrés und in 20 Meter Tiefe, die Welt noch heil. Kein weißer Kalk, keine ausgebleichten Anemonen und Seesterne, kein nackter Fels. So nämlich sieht es knapp vor ihrer Insel aus, doch hier gibt es farbenfrohe Korallen, bunte Fische in allen Größen, blühende Seegraswiesen. „Hier“, sagt Mariano, „können die Taifune nicht so viel Schaden anrichten.“
Mariano leert die Box, viele Fische wirft er zurück ins Meer – sie sind tot. Ein paar jedoch hebt er vorsichtig in kleine Plastiktüten. Sie brauchen dringend neues Wasser, sonst sterben auch sie in der Giftbrühe. Aber sie müssen leben, sonst verdienen Mariano und Marco kein Geld. Wenn sie Glück haben, könnten es heute sogar zwei Dollar werden.
Marco zieht die verstopfte Düse aus der Babyflasche, setzt eine neue ein. Es ist eine einfache Kugelschreibermine, an der Spitze abgesägt. Dann nimmt er zwei neue Tabletten aus einem Sack, das Stück…