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Fernweh

Capitano Ciccio findet sein Glück

Früher gab es im sizilianischen Mazara del Vallo Fisch. Dann gingen die Fänge zurück und die Arbeitslosigkeit kam. Jetzt entsteht hier ein Zentrum für Unterwasserarchäologie. Ein U-Boot soll versunkene Artefakte vom Grund des Mittelmeers holen und die Museen der Stadt füllen, um Touristen an Land zu ziehen. Das alles ist einem Fischer und seinem wundersamen Fund zu verdanken

By Angelo Romano (Angelo.romano) (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) or CC BY-SA 2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5-2.0-1.0)], via Wikimedia Commons
von
Dimitri Ladischensky
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Fernweh

Satyrn sind Fabelwesen, die plötzlich in Erscheinung treten und dem Leben eine Wendung geben. Sie wandeln das Dasein zum Rausch, machen es leicht, glücklich, sorgenfrei.

Es ist dunkel im Hafen von Mazara del Vallo, nur die Tankstelle leuchtet. Der Mond scheint hell, und die „Prassitele“ schwankt hin und her. Der Fischer Francesco Adragna prüft die Geräte, schaltet den Funk ein, lässt sich von der Hafenmeisterei die Erlaubnis geben, dass er auslaufen darf.

Adragna war immer im Dunkeln, ein Fischer wie alle anderen, „Ciccio“ genannt. Heute ist Francesco Adragna in der Stadt bekannt, die „New York Times“ kennt seinen Namen. Rom, Paris, Tokio, jetzt London, die Menschen stehen seinetwegen Schlange. Fotohandys hat er ins Gesicht gerammt bekommen. Er war in Japan, 2005, als die Expo war, sie hatten ihn eingeladen, ihn und seine Frau. Eine ganze Woche. Er hat sich gefühlt wie ein Minister.

Auch der Ort, in dem er lebt, Mazara, war lange im Dunkeln. 50 000 Einwohner, ein Viertel lebt vom Fisch. Die Fänge sind allein in den vergangenen fünf Jahren um ein Drittel zurückgegangen. Es waren einmal 400 Krabbentrawler in Mazara, die größte Fangflotte Siziliens in den Neunzigern. 200 sind geblieben. Das Mittelmeer ist abgefischt, Mazaras Arbeitslosigkeit liegt bei 30 Prozent, noch über dem Inseldurchschnitt.

Mazara war nie ein Touristenort. Wer guckt sich schon Industrie an? Die schönen Strände liegen im Norden und Süden; Tempel und Statuen finden sich im Osten und im Westen. Doch jetzt kommt der Fremdenverkehr in den Küstenort. Palermo, Erice, Marsala, Selinunte, Agrigento – jetzt stoppen die Reisebusse auch in Mazara.

November 1997. Adragna war mit der „Capitano Ciccio“ in der Straße von Sizilien unterwegs, um neue Krabbengründe zu erschließen. Die Krise zwingt die Krabbenfischer zu ständiger Suche nach neuen Gründen. Wenn ein neues Unterwasserfeld bestellt wird, sind Putzarbeiten nötig. Krabbenfischer ziehen 20 Meter breite Schleppnetze über den Boden. Sie fischen nur in ihren eigenen Arealen. Es sind Claims, abgesteckte Grundstücke am Meeresboden, die von Generation zu Generation vererbt werden und in denen nichts zu suchen hat, wer nicht zur Familie gehört. Denn das Revier so rein zu sieben, dass nur noch Krabben hängen bleiben, kostet viele Netze.

Adragna machte sich also ans Aufräumen. Steine und Korallen verfingen sich in seinem Netz und etwas Zentnerschweres, das er nicht gleich erkennen konnte, so zugewuchert und von Muscheln besetzt war es. Er rieb es mit einem Schwamm ab, die Muscheln, die grüne Schicht, Algen, wie er dachte – bis Bronze darunter blitzte. Das...

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No. 95 - Dez. 2012/Jan. 2013