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Philosophie

Heideggers Heiliger Krieg

Die »Schwarzen Hefte« werfen ein neues Bild auf das Denken Martin Heideggers. Der Philosoph war nicht nur ein Nazi und Antisemit. Er verfolgte auch eine kryptoreligiöse Mission

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von
Thomas Vašek
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Philosophie

Ein »alter Geist der Rache« gehe um die Erde, schreibt Martin Heidegger zwei Jahre nach Kriegsende. Das Ziel sei, die Deutschen »geistig und geschichtlich auszulöschen«. Das »deutsche Volk und Land« sei jetzt schon »ein einziges KZ«, das Niederhalten des deutschen »Weltwollens« eine »noch wesentlichere Schuld« als das »Greuelhafte der ›Gaskammern‹«.

Die Textstellen stammen aus dem eben erschienenen Band der »Schwarzen Hefte« aus den Jahren 1942 bis 1948 (Anmerkungen I–V, Heidegger-Gesamtausgabe Band 97). Darin äußert sich Heidegger zum ersten Mal direkt zum Holocaust und zur Frage der deutschen Schuld. Doch man findet kaum ein Wort des Bedauerns, der Trauer oder Selbstkritik. Stattdessen gibt es revanchistische Schuldzuweisungen an die Alliierten und die Weltpresse. Und es gibt ungeheuerliche Textpassagen, die den Verdacht begründen, dass Heidegger die Shoah für die »Selbstvernichtung« der Juden hielt.

Allmählich formt sich ein neues Bild dieses Mannes, den viele noch immer für den bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts halten. Heideggers Antisemitismus lässt sich nicht länger herunterspielen. Sein NS-Engagement war nicht einfach nur eine tragische »Irrnis«, wie die Apologeten bis heute behaupten. Es gibt keinen Bruch in Heideggers Denken, sondern vielmehr eine unheimliche Kontinuität. Heideggers Antisemitismus und sein NS-Engagement sind aufs Engste mit seiner Philosophie verwoben. Wenn diese These stimmt, müssen wir Heideggers Denken in völlig neuem Licht betrachten, von »Sein und Zeit« bis zu den »Schwarzen Heften«. Dann brauchen wir eine noch viel weiter reichende Heidegger-Debatte (siehe »Ein totalitärer Denker«, HOHE LUFT 6/2014). Dann müssen wir darüber reden, wie es...

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Nr. 3/2015