Lesezeit 23 Min
Kultur

Marcel Reif

„Sicherheit verbinde ich mit Beziehungen – und nicht mit Orten.“

TANJA KERNWEISS
von
Christoph Oellers
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Kultur

Zur Person

Marcel Reif, geboren 1949 in Polen, hat eine katholische Mutter, sein Vater war Jude.

Mit acht Jahren kam er über Israel nach Kaiserslautern. Schon während des Studiums arbeitete er für das ZDF. Nach dem Finale der Fußball-WM 1994, das Reif für 22,5 Millionen Menschen kommentiert hatte, wechselte er zu RTL.

Bekannt geworden ist 1998 seine Berichterstattung mit Günter Jauch zum „Torfall von Madrid“, für die er 2003 den Grimme-Preis erhielt. Später begleitete er 17 Jahre lang Champions-League- und Bundesligaspiele für Premiere und Sky.

Reif ist zum dritten Mal verheiratet – mit der Münchner Gynäkologieprofessorin Marion Kiechle. Er hat aus den vorangegangenen Ehen drei Söhne, mit den beiden Jüngeren lebt er in Rüschlikon bei Zürich

München. Eine Villa, 105 Jahre alt, am Stadtrand. Schnee und Wintersonne entwerfen ein Idyll. Marcel Reif hat ins Haus seiner Frau geladen. Der Kommentator im Ruhestand, der für viele Fußballfreunde als Nummer Eins seiner Zunft galt, begrüßt mit Sakko und Tuch in der Brusttasche. Der Stil: britisch zurückhaltend, aber elegant. Wir lassen uns an einem ovalen Tisch nieder, gelegentlich unterbrochen von Handy und Handwerkern entwickelt sich über mehrere Stunden ein Gespräch über den jüdischen Vater, Zweisamkeit und Sprachlosigkeit. Der Fußball spielt dabei nur eine Nebenrolle. Der Ton: ehrlich, manchmal selbstironisch.

Herr Reif, Sie tragen an Ihrem rechten Handgelenk Reif- und Bändchenschmuck, was bedeutet der?

Das sind erste Geschenke meiner Frau, nach dem Kennenlernen. Und dieses Lederbändchen, das tragen alle Söhne und ich, mit den jeweiligen Initialen.

Wenn Sie in den Spiegel schauen, wen sehen Sie da?

Sehr oft meinen Vater. Offensichtlich werden wir auf der männlichen Schiene nicht gezeugt, sondern geklont. Auch mein erwachsener Sohn sieht aus wie ich. Ich mache tausend Dinge so, wie mein Vater sie getan hat. Meine Mutter, als sie noch lebte, sagte häufig zu mir, manchmal kommst du ins Zimmer – und wie du läufst und guckst, dein Lachen, wie du die Augen zusammenkneifst: ganz wie der Vater. Manchmal beim Rasieren denke ich tatsächlich: Das bist jetzt nicht du.

War das der Grund dafür, dass Sie früher einen Bart trugen?

Das will ich nicht ausschließen.

Was genießen Sie am Ruhm?

Immer noch kann ich meine Familie beeindrucken, wenn mich ein Kellner in Italien auf der Straße anspricht. Höhepunkt war meine Nordkorea-Reise im Jahr 2013, wir waren in der Lounge von Air China beim Zwischenstopp in Peking. Da steht ein baumlanger Chinese hinter der Theke, sieht mich, kommt raus und fragt in gebrochenem Englisch, ob er ein Selfie mit mir machen könne.

Je weiter von Deutschland weg Sie erkannt werden, desto beeindruckender ist das für Sie?…

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Nr. 21/2017