Ein „Shootingstar“ ist Sidi Larbi Cherkaoui eigentlich nicht. Für ihn war das von Anfang an die falsche Beschreibung – Shootingstars kommen und gehen, sind auch mal schnell wieder weg vom Fenster. Im Falle von Cherkaoui wäre das undenkbar. Er gehört, mit gerade einmal 41 Jahren, längst zu den weltweit gefragtesten zeitgenössischen Choreographen. Vor Jahren tanzte er noch häufig selbst mit in seinen Stücken, heute choreographiert er überwiegend. Da seine Arbeiten international touren, wäre auch kaum Zeit dafür. Zu viele Verpflichtungen bestehen: Seit der Spielzeit 2015/16 ist Cherkaoui Künstlerischer Leiter des Königlich Flandrischen Balletts in Antwerpen, zudem arbeitet er nach wie vor weltweit als Gastchoreograph (viele dieser Engagements waren wohl längst vereinbart, bevor er zum Ballettdirektor berufen wurde), und er leitet weiterhin seine eigene, 2010 gegründete Company Eastman, ebenfalls mit Sitz in Antwerpen. Ein Gespräch mit diesem Mann, der eigentlich keine Zeit hat, verläuft trotzdem sehr entspannt. Attitüden, Selbstdarstellung, all das ist ihm fremd – vielleicht, weil es eine Form der Zeitverschwendung wäre. Cherkaoui wirkt hoch konzentriert und dennoch auch getrieben – von einer großen Neugier, einem Interesse an den komplexen Verbindungen zwischen Menschen, die er zum Ausdruck bringen möchte: „Ich interessiere mich für Psychologie, für die Motivation der Menschen, ihre Intentionen und die Lügen, die sie sich selbst und anderen erzählen…
