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Gesellschaft

»Ich habe Steine umgedreht und nach Würmern gesucht«

Der Journalist Ronan Farrow hat mit seinen Recherchen Harvey Weinstein zu Fall gebracht. Gern würde er nun einen weiteren berühmten Mann Hollywoods erledigen, der des sexuellen Missbrauchs beschuldigt wird: seinen Vater Woody Allen.

BRIGITTE LACOMBE / DER SPIEGEL
von
Philipp Oehmke
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Gesellschaft

Vergangene Woche kam Ronan Farrow zu Besuch ins New Yorker SPIEGEL-Büro. Farrow, 30 Jahre alt, ist zurzeit so gefragt (und von manchen gefürchtet) wie wenige Journalisten der USA. Seine ausführlichen und monatelang recherchierten Geschichten im »New Yorker« über die Vergewaltigungs- und Missbrauchsvorwürfe gegen Harvey Weinstein haben maßgeblich zum Sturz des Filmproduzenten beigetragen – und zum Siegeszug der #MeToo-Bewegung. Seither hat Farrow weitere minutiös dokumentierte Geschichten über mächtige Männer und ihre sexuellen Feldzüge nachgelegt, zuletzt über den Chef des Fernsehsenders CBS.

Es ist die Tragik des Ronan Farrow, dass allein ein Prominenter, der sexueller Übergriffe beschuldigt wird, den Kampagnen gegen sich zu widerstehen scheint: sein eigener Vater.

Ronan ist der Sohn von Woody Allen und Mia Farrow. Er ist das einzige leibliche Kind des Paares, das von 1980 bis 1992 zusammen war, dazu kommen 13 Stief- und Adoptivgeschwister, die Mia Farrow geboren oder adoptiert hat. Als Ronan vier Jahre alt war, 1992, wurde bekannt, dass Ronans Adoptivschwester Soon-Yi, damals 21, eine Affäre mit Woody Allen hatte. Die Familie zerbrach. Kurz danach behauptete Mia Farrow, Allen habe eine andere Adoptivschwester Ronans, die siebenjährige Dylan, missbraucht. Mia Farrow behauptet das bis heute, Dylan, heute 33, ebenfalls. Ronan Farrow sagt, er glaube seiner Schwester, und hat den Kontakt zu seinem Vater abgebrochen. Allen streitet diese Vorwürfe bis heute vehement ab. Seine Ex-Frau habe sie erfunden im Zuge des von ihrer Seite mit großem Hass geführten Rosenkrieges gegen ihn.

Trotz oder wegen dieser traumatischen Kindheitserlebnisse wurde Ronan zum Überflieger. In der Schule übersprang er so viele Klassen, dass er mit 11 Jahren aufs College ging, als Teenager für Unicef in Afrika unterwegs war und mit 16 einen Masterstudiengang in Jura begann. Mit 21, im Jahr 2009, fing er unter Präsident Obama im US-Außenministerium an, er sollte dem amerikanischen Chefdiplomaten Richard Holbrooke dabei helfen, in Afghanistan Frieden zu schaffen. Über seine Zeit im Außenministerium und den aus seiner Sicht nicht erst seit Trump voranschreitenden Niedergang amerikanischer Diplomatie hat er nebenbei noch ein Buch geschrieben, das kommende Woche auch auf Deutsch erscheint(*).

Ronan, dem Woody Allen eigentlich den Vornamen Satchel gegeben hatte, spricht sehr kontrolliert in druckreifen Sätzen mit tiefer, etwas künstlich gepresster Stimme. Er trägt eine lachsfarbene Krawatte –…

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Nr. 33/2018