Lesezeit 16 Min
Wirtschaft

Nicht mehr in einer linearen Welt

Komplexität lässt sich nicht beherrschen - ein Gespräch mit Stephanie Borgert

von
Winfried Kretschmer
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Wirtschaft

Alle reden von Komplexität. Nicht wenige aber sprechen von ihr als von einem Übel, das man (endlich) in den Griff bekommen müsse. Sie wollen Komplexität reduzieren, sie beherrschbar machen, sie gar eliminieren. Doch das ist nicht nur ein Missverständnis. Sondern ein grundlegender und folgenschwerer Irrtum. Denn Komplexität lässt sich nicht steuern, regeln, beherrschen - das ist gerade ihr Wesensmerkmal, ihre Definition. In Komplexität sind wir nicht mehr in einer linearen Welt. Die ist kleiner als gedacht.

Stephanie Borgert

ist diplomierte Informatikerin mit langjähriger Fach- und Führungserfahrung in komplexen dynamischen Projektorganisationen. Sie arbeitet als Coach und Trainer für Führungskräfte und Projektteams. 2015 ist ihr Buch Die Irrtümer der Komplexität bei GABAL erschienen.

Frau Borgert, alle reden von Komplexität. Meinen alle das Gleiche?

Nein. In meiner Wahrnehmung wird der Begriff der Komplexität nicht einheitlich benutzt, sondern sehr individuell. Weil ihnen keine eindeutige Definition bekannt ist, benutzen viele den Begriff so, wie sie meinen - und zwar meist für den eigenen Gefühlszustand. Das ist das, was man in den Fluren, Büros, Besprechungsräumen von Organisationen hört: "Ich blicke nicht mehr durch", "Uns wächst alles über den Kopf", "Alles ist so chaotisch hier", "Wir haben es nicht im Griff". Die Leute meinen damit aber Symptome, nicht die Komplexität selbst.

Liegt das daran, dass das Wissen über Komplexität noch nicht weit genug verbreitet ist? Oder haben wir es, wenn es solch unterschiedliche Sichtweisen gibt, vielmehr mit Komplexitäten zu tun?

Das Wissen ist nicht weit genug verbreitet. Insbesondere in den Führungsetagen herrscht vollständiges Unwissen. Dort gibt es allenfalls diffuse Ideen, was Komplexität sein könnte. Die Definition, die mir am häufigsten begegnet, lautet: Wenn viele verschiedene Personen beteiligt sind, zum Beispiel…

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07.01.2016