Wir fügen die Welt wieder zusammen
Wenn er sein Haus in einer Tradition sieht, dann in der der Kunst- und Wunderkammern. Mit dieser Vision hat Gereon Sievernich den Berliner Martin-Gropius-Bau zu einem der weltweit attraktivsten Ausstellungsorte gemacht. Ein Gespräch über Leidenschaft, schlaflose Nächte und die Launen des Publikums
Ausnahmsweise bin ich ein wenig zu früh. Der Chef ist noch nicht da. Ich darf aber schon in sein Zimmer, das kein Zimmer, sondern ein großer Raum ist. Mit Bücherwänden, deren Regale vollgestopft sind. Nicht etwa mit der eigenen Katalogproduktion. Stattdessen jede Menge bunter Bildbände in Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch. Man sieht, Gereon Sievernich ist viel unterwegs, und er bringt sich von überall etwas mit. Ein Eindruck drängt sich auf: Hier liest der Chef selbst. Ich geniere mich ein wenig, als Sievernich schnell eintritt und mich vor einem Regal erwischt. Er erzählt mir, was in dem Band über die Kunst Neuguineas steht, den ich gerade in der Hand halte. Der hatte ihm geholfen bei der Vorbereitung der großen Sepik-Ausstellung, die es im Martin-Gropius-Bau von März bis Juni zu sehen gab. Sievernich beginnt, von der gerade abgeschlossenen Tino-Sehgal-Präsentation zu schwärmen, erzählt von der noch laufenden Fassbinder-Ausstellung. Als er von den Felsbildern der Frankfurter Sammlung Frobenius zu schwärmen beginnt, die er im Januar im Martin-Gropius-Bau zeigen wird, lenke ich ab und frage ihn nach seiner Familiengeschichte.
Wer ist Michael Sievernich?
Mein Bruder.
Er wurde Jesuit, studierte Theologie und Philosophie. Er lehrte als Professor Pastoraltheologie in Frankfurt und Mainz, war einige Jahre auch Rektor der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main. Kennt er den Papst?
Seit 1985. Aus Argentinien. Jorge Mario Bergoglio, der heutige Papst Franziskus, hatte dann 1986 einen Studienaufenthalt an der Hochschule Sankt Georgen. Vergessen Sie auch meinen Bruder Chris nicht. Er lebt in Hollywood, hatte zusammen mit Wim Wenders eine Filmfirma, die zum Beispiel "Paris, Texas" produzierte. Danach machte er seine eigene Firma auf und produzierte Filme in den USA. Etwa den letzten Film von John Huston, "The Dead", nach der Kurzgeschichte aus dem Erzählungsband "Dubliner" von James Joyce. Er ist Mitglied der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, welche die Oscars vergibt. Einer von zwei deutschen Produzenten, glaube ich. Wir sind alle medial verankert.
Sie haben Kontakt mit Ihren Brüdern?
Sehr guten. Wir telefonieren oft am Sonntag.