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Geschichte

Von Senatsfaschisten und Langhaar-Affen

Bizarr und ernst zugleich: Das Jahr 1968 begann mit Protesten gegen Vietnamkrieg, Springer und Halbfertigprodukte. Ein Stimmungsbild

stux / pixabay.com
von
Maritta Tkalec
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Geschichte

Sit-in, Go-in, Talk-in, Dance-in, Sing-in - das alles und noch viel mehr war möglich im Kino Bleibtreustraße 12. Der Veranstaltungsflyer von Anfang 1968 zeigt Buddha, ein Auto-Magazin und Demonstranten mit dem Transparent "Wir fordern veritas iustitia libertas statt Zwangsanstalt". Drinnen gab es Hannes Wader, Ingo Insterburg und die Reizzwecken. Schöne Mischung. Die Protest-Life-Balance stimmte im Westberlin des anbrechenden Jahres der Bewegung.

Revolutionären Schwung gab schon das Jahr 1967 mit: Am 2. Juni hatte die Polizei eine Protestdemonstration gegen den Besuch des Schahs von Persien knüppelnd auseinandergetrieben. Der Polizist Karl-Heinz Kurras hatte Benno Ohnesorg, 26, Student der Romanistik und Germanistik, erschossen. In der Frontstadt hatte von 1957 bis 1966 Willy Brandt regiert, nun stand der links-pragmatische SPDler Klaus Schütz dem Senat vor. Beide in den Augen der bewegten Studenten keine wackeren Vertreter der Demokratie, sondern des repressiven Systems. Nicht ohne Spaß rief man: "Brecht dem Schütz die Gräten, alle Macht den Räten!"

Dass es um alles und jedes ging, zeigt ein Flugblatt des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS, ein Hauptakteur). Es erschien kurz nachdem Steine gegen Filialen des Springerkonzerns geflogen waren. Da stand: "Was sind Steine gegen die Macht des millionenschweren Springers? Springer trägt die Uniform der Nazis, heftet sich den Judenstern an. Was sind Eier gegen das Amerikahaus im Vergleich zu…

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12.02.2018