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Kultur

Vom Privileg, Fragen zu stellen

Das Schicksal ihrer Helden lässt sie nicht mehr los: Die Schriftstellerin Jenny Erpenbeck hat sich für ihren jüngsten Roman ins Flüchtlingsheim begeben – und ist damit für den Deutschen Buchpreis nominiert

BERLINER ZEITUNG / PAULUS PONIZAK
von
Cornelia Geißler
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BERLIN. "Letzte Nacht habe ich geträumt, dass Ulrich Peltzer den Preis bekommt", sagt Jenny Erpenbeck. "Es scheint mich also doch zu beschäftigen." Am Montagabend wird sie erlöst, dann verkündet die Jury, wer den Deutschen Buchpreis 2015 erhält. Jenny Erpenbecks Roman "Gehen, ging, gegangen" kam im August neben 19 anderen in die Vorauswahl; Mitte September erfuhr sie, dass er es auf die Sechser-Shortlist geschafft hat. Von außen betrachtet, ist Peltzer mit "Das bessere Leben" der stärkste Konkurrent: mit seinem Roman, der sich fiktiv durch die Realität der globalisierten Wirtschaft bewegt.

Aber über diesen Countdown möchte Jenny Erpenbeck nicht länger reden. Das Gespräch landet eher zufällig dort und bewegt sich schnell weiter. "Ein Schriftsteller macht ja keine Kreuzfahrt, wenn er so einen Preis bekommt. Das Geld lässt einen einfach über Monate, vielleicht ein Jahr ruhig leben und arbeiten."

Es ist einer dieser warmen Herbsttage, die der Stadt als Ausgleich für das zu schnelle Ende des Sommers geschenkt wurden. Jenny Erpenbeck hatte den Neptunbrunnen am Berliner Rathaus als Treffpunkt vorgeschlagen, eigentlich als Ausgangspunkt, um dann in ein Café zu wechseln. Aber das Wetter ist zu schön, um irgendwo hineinzugehen.

Hat hier alles angefangen? Erpenbeck lacht kurz und hell glucksend. "Es ist nicht alles so wie im Buch!" Auf Seite 18 steht: "An einem Donnerstag Ende August versammeln sich zehn Männer vor dem Roten Rathaus in Berlin. Sie haben…

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10.10.2015