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Geschichte

Pestbriefe aus Berlin

Im Seuchenjahr 1576: Der Kurfürst flieht, Pfaffen prügeln sich, die Leute leiden höchste Not, und ein Arzt gibt nützliche Ratschläge. Augenzeugen berichten aus einer gequälten Stadt

Giuliano Bugiardini [Public domain], via Wikimedia Commons
von
Maritta Tkalec
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Geschichte

Zehn Jahre nur waren vergangen, und schon wieder fiel die Pest über die Doppelstadt Berlin-Cölln und ihre Nachbarorte her. Man schrieb das Jahr 1576 und zählte den fünften Seuchenzug seit Jahrhundertbeginn. Die Leute wussten, welche Schrecken sie erwarteten. Wie sie sich wehren könnten, wussten sie nicht. Der griechische Arzt Hippokrates (um 460 - um 370 v. u. Z.) hatte nur einen Rat: "Fliehe schnell, fliehe weit, mit der Rückkehr lass' dir Zeit." Seit der Antike war das Wissen um den Schwarzen Tod nicht wesentlich vorangekommen.

Hippokrates folgend floh Kurfürst Johann Georg von Brandenburg 1576 mitsamt dem Hofe nach Küstrin 90 Kilometer Richtung Osten. Doch erkrankten etliche Mitreisende, woraufhin der Tross 60 Kilometer weiter zog nach Karzig (heute Karsko). Dort erkrankte der kurfürstliche Kanzler Lampert Distelmeier, er erholte sich aber, und man harrte aus.

Vom Los der Zurückgebliebenen erfahren wir durch Augenzeugen. So zeichnete der Cöllner Stadtschreiber für 1576 auf: "Im Monat Junio hat die pestilenzische Seuche zu Berlin grewlich zu romorn angefangen und vollents auch gen Cölln kommen und fast bis zu Ende des Jars regiert, also das in beiden Stetten beinahe in die 4 000 Menschen jung und als plotzlich gestorben und abgangen." Und wenn, so fuhr er fort, nicht so viele "ausgezogen und vorgewichen" wären, hätte man viel mehr Tote zählen müssen.

Das Register der Stadtverwaltung Spandau meldete: Ausbruch der Pestilenz im Sommer,…

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10.10.2016