Lesezeit 14 Min
Geschichte

Noch ist Polen nicht verloren

Ein Rückblick auf fast achtzig Jahre polnischer Geschichte und ein wenig hoffnungsvoller Ausblick. Ein Gespräch mit dem Fotografen Tadeusz Rolke

studioyayo / pixabay.com
von
Arno Widmann
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Geschichte

Tadeusz Rolke, geboren 1929 in Warschau, ist Fotograf. Er kam für das Interview zu mir ins Hotel in der Nähe des Warschauer Hauptbahnhofes. Mit der Straßenbahn und zu Fuß. Tadeusz Rolke spricht deutsch. Klar und deutlich. Fast nie sucht er nach einem Wort. Vom 8. bis 10. September sind beim Kulturfestival in Sopot, einem Badeort unweit von Danzig, nicht nur Fotos von Tadeusz Rolke zu sehen, sondern auch er selbst wird dort Rede und Antwort stehen.

Was ist Ihre früheste Erinnerung?

Die Stadt, die Straßen, die Häuser. Ich habe optische Erinnerungen. Wie es sich für einen Fotografen gehört.

Ihre erste Erinnerung ist nicht die Mutter, nicht ihr Körper?

Die Mutter ja. Aber ich bin mit ihr in der Stadt unterwegs.

Sie an ihrer Hand durch die Stadt?

Nein. Meine Studenten fragen mich manchmal: Wie macht man ein Foto? Ich antworte: Die Fotos sind da. Ihr müsst auswählen. Ich sehe die Welt in fertigen, viereckigen Bildern. So erinnere ich mich auch. Ich sehe solche Bilder. Straßen, Häuser. Zum Beispiel die schöne, lebendige Straße mitten in Warschau, in der ich bis 1939 wohnte: Geschäfte, hupende Autos. Abends, wenn ich mit meinem Bruder schon im Bett lag, hörten wir draußen die Straßenbahn und an der Zimmerdecke sahen wir die Lichter der vorbeifahrenden Autos. Das sind die frühen Bilder. Mein Lebensraum ist die Stadt.

In Schwarz-Weiß?

Nicht unbedingt.

Aber immer schon eingerahmt: Bild an Bild.

Vielleicht kam der Rahmen erst in der Erinnerung dazu. Aber es sind einzelne Bilder.

Sie haben den Film der Erinnerung zerschnitten.

Ich habe ihn nie gesehen. Es waren immer einzelne Bilder.

Ist das schlecht oder ist das gut?

Es ist so. Vergessen…

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31.08.2017