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Kultur

Man muss es nur anpacken

Dann kann man die Welt ändern, findet Regisseur Michael Winterbottom. Seinen unbequemen Filmen sieht man diese Überzeugung an. Ein Gespräch über die Gefahr einfacher Wahrheiten, die Augen von Amanda Knox und die Frage, wann Journalismus zu Klatsch wird

Denis Makarenko / Shutterstock.com
von
Anja Reich
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Michael Winterbottom, Englands wohl produktivster Regisseur, Berlinale-Preisträger, kühler Brite, sitzt im Hotel de Rome vor einem Obstteller und trinkt Cola. Er ist heute Morgen aus London eingeflogen worden, um in Berlin seinen neuen Film vorzustellen: "Die Augen des Engels". Der Schauspieler Daniel Brühl spielt darin einen Regisseur, der einen Film über Amanda Knox drehen soll, die US-amerikanische Studentin, die angeklagt war, 2007 ihre Mitbewohnerin - wie sie Austauschstudentin im italienischen Perugia - ermordet zu haben. Knox wurde zunächst schuldig gesprochen und, nach mehrmaliger Wiederaufnahme des Verfahrens, im März 2015 endgültig freigesprochen. Der Mord ist bis heute nicht geklärt, aber das ist nicht der einzige Grund, warum in Winterbottoms Film der Regisseur in eine Krise gerät und sich und seine Arbeit infrage stellt. Hauptdarsteller Brühl, im Anzug, mit Schnauzbart, sitzt in einem Zimmer des Hotels und gibt Interviews. Regisseur Winterbottom, in Jeans und Hemd, tut das Gleiche im Nachbarzimmer. Er redet so schnell, als sei er in Eile. Nach dem Gespräch fliegt er sofort zurück nach London. Um am nächsten Film zu arbeiten.

Der Titel Ihres Filmes "Die Augen des Engels" klingt wie das Gegenteil der Schlagzeile, mit der Amanda Knox berühmt geworden ist: "Die Frau mit den kalten Augen". Warum dieses Wortspiel?

Mein Held soll einen Film über den Mord an der Studentin Meredith Kercher drehen, aber überall sieht er immer nur das Bild jener Frau, die des Mordes beschuldigt wurde: Amanda Knox. Und dazu diese Schlagzeile: Die Frau mit den kalten Augen. Alle interessieren sich nur für sie, nicht für das Opfer oder die Eltern, die ihr Kind verloren haben.

War das Ihr Motiv für Ihren Film?

Ich interessiere mich in der Regel nicht für Kriminalgeschichten wie die um Knox oder diesen südafrikanischen Läufer, der seine Freundin erschossen hat. Und ich habe mich gefragt, warum die Öffentlichkeit immer weiter daran festhielt, obwohl nichts…

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16.05.2015