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Verbrechen

Im Namen des Volkes

Mord, Vergewaltigung, Diebstahl: Rund dreihundert Prozesse finden täglich in den fast hundert Gerichtssälen des Kriminalgerichts Moabit statt. Ein Besuch an einem ganz normalen Tag

Karl-Ludwig Poggemann/flickr.com
von
Katrin Bischoff
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Verbrechen

Es ist 9 Uhr. Vor dem Saal 618 des Kriminalgerichts sitzen drei uniformierte Polizisten auf einer der Holzbänke. Sie sind als Zeugen geladen und warten darauf, ihre Aussage machen zu dürfen. Ansonsten ist es ungewöhnlich still an diesem Tag auf diesem Gang. Fünf Minuten nach neun ruft der Wachtmeister das Verfahren auf. Seine Stimme hallt laut über den Flur. Die wenigen Zuschauer werden über ein Seitenportal in den Saal gelassen. Es herrscht nicht viel Interesse für den Prozess, bei dem es um einen grausamen Mord geht. Zwei Frauen nur sitzen hinten auf den Zuschauerplätzen. "Vielleicht das Wetter", mutmaßt ein Wachtmeister über die fast leeren Reihen.

Der Angeklagte sitzt schon in einem für ihn vorgesehenen Verschlag hinter seinem Anwalt. Es ist der zweite Verhandlungstag im Prozess der 29. Großen Strafkammer gegen den 31-jährigen Volodimir S., in dem es um den Mord an seiner Mutter geht. Bisher hat er geschwiegen. Volodimir S. soll Ende vorigen Jahres in der elterlichen Wohnung in Marienfelde dem Freund seiner Mutter ein Messer in den Rücken gerammt haben. In Tötungsabsicht und mit solcher Wucht, dass die Klinge abbrach. "Du bist das Böse", soll der bärtige Mann dabei gerufen haben. Als seine Mutter dazwischen ging, soll er ihr mit einem zweiten Messer die Kehle durchtrennt haben.

Ein Wachtmeister ruft den ersten Polizisten in den Saal. Aus Denkmalschutzgründen kann in diesem ältesten Teil des Gerichts keine Lautsprecheranlage eingebaut werden.…

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04.07.2015