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Gesellschaft

Im guten Geist des Grauen Klosters

Vor 50 Jahren ließ die DDR-Führung die letzten Reste der ältesten Schule Berlins plattmachen. Sie brach eine 400-jährige Tradition – zugunsten einer Autotrasse

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von
Maritta Tkalec
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Gesellschaft

Kein Zweifel, es wehte der Geist des Vergangenen im Berlinischen Gymnasium zum Grauen Kloster. So sehr sich FDJ und SED mühten - sie kamen nicht an gegen das bürgerliche Gedankengut in den Schülerhirnen, gegen christliche Einstellungen, bürgerlich-humanistische Bildungstradition inklusive alter Sprachen. 400 Jahre hatte die Schule in den Gemäuern des Franziskanerklosters bestanden, war das erste und älteste Berliner Gymnasium. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg war sie schließlich in die Niederwallstraße gezogen - doch brachte die Distanz zum Gemäuer keinen Traditionsbruch. 1958 entzog man der Institution den alten Namen und nannte sie schlicht 2. Oberschule Mitte. Auch das half nichts.

Kulturkampf in der Schule

Der mit der Umerziehung beauftragte neue Direktor Walter Franz beklagte am 17. Juni 1959 als Volkskorrespondent in der Berliner Zeitung "falsche Schülerträume". Zum Aufsatzthema "Wie stelle ich mir meine Zukunft vor" hätten die Zehntklässler - in "gar nicht schlechter Form" übrigens - reaktionäres Denken offenbart. Ein Schüler schrieb, er wolle "so schnell wie möglich eine eigene Rechtsanwaltspraxis, ein Haus an einem See, dazu Auto und Segeljacht". Ein anderer strebte an, als "Arzt mit eigener Praxis" zu arbeiten und eine Weltreise zu machen - "nach Ägypten, Indien und in die USA". Direktor Franz reagierte empört: "Kaum ein Schüler hatte den Wunsch, in einem staatlichen Institut, einem volkseigenen Werk zu arbeiten. Diese Begriffe…

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02.07.2018