Lesezeit 16 Min
Kultur

Ich laufe gerade mit angezogener Handbremse

Sagt Axel Prahl, der Schauspieler und Musiker. Man mag es kaum glauben, 25 Konzerte gibt er in diesem Jahr, zwei Münster-"Tatorte" dreht er. Und sein neuer Film kommt in die Kinos. Ein Gespräch über Kafka, Poesiealben, die Liebe zum Meer und das Hamsterrad des Lebens

BERLINER ZEITUNG / PAULUS PONIZAK
von
Petra Ahne
und
Bettina Cosack
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Kultur

Ein heißer Tag in Berlins Mitte, ganz untypisch für diesen Sommer, Urlaubsstimmung im Weinbergsweg am späten Vormittag. Axel Prahl, kurzärmeliges Jungs-Streifenhemd, darüber eine dunkelblaue Outdoor-Weste mit vielen nützlichen Taschen, steht auf einem Balkon im vierten Stock, schaut hinunter auf die Passanten, die Café-Sitzer. Früher, Anfang der Neunziger, erzählt Prahl, habe ein Freund von ihm in genau diesem Haus gewohnt. Damals sei es noch nicht saniert gewesen, die Wohnungen waren riesig. Tja, damals. Damals war Axel Prahl gerade nach Berlin gekommen, spielte im Grips-Theater. Heute ist er 54 und berühmt, als "Tatort"-Kommissar, Schauspieler, Musiker, in dieser Reihenfolge wohl. Heute muss er Interviews geben in einem der feinen Apartments, die von Berlin-Gästen gemietet werden. Lust hat er nicht so recht. Andererseits: "Der Bau", eine freie Verfilmung von Frank Kafkas unvollendeter Erzählung aus den Zwanzigerjahren, liegt ihm am Herzen. Und er ist der Hauptdarsteller. Also: runter vom Balkon.

"Der Bau" ist die Verfilmung einer Geschichte von Franz Kafka - eines der bekanntesten Autoren überhaupt, aber bei vielen nur als ungeliebte Schullektüre in Erinnerung. War das bei Ihnen auch so?

Ich habe, notgedrungen, da ich mein Abitur am Ende doch gemacht habe, in der Schule den "Prozess" gelesen. Und ja, ich war jung und unverständig und hab mir damals, glaube ich, "Königs Erläuterungen" geholt.

Es gab keinen Lehrer, der Ihnen Kafka nahebringen konnte?

Nicht wirklich. Dabei gäbe es ja auch wunderbare Hilfsmittel, eine Verfilmung von "Die Verwandlung" zum Beispiel, um Schülern diese Texte näherzubringen. Ich wäre damals sehr froh gewesen, wenn es einen Film wie "Der Bau" gegeben hätte. Wenn man die Geschichte erst in der Klasse liest und dann ins Kino geht, ist das doch ein toller Weg, zu zeigen, wie Kafka uns die Gesellschaft vorführt. Das Grandiose ist ja, dass diese Texte immer noch mit uns zu tun haben. Er war wirklich ein Visionär, wahrscheinlich, ohne es zu wissen. Man muss sich mal vorstellen, dass das ganze Werk nach seinem Tod hätte verbrannt werden sollen, das hat er seinem Freund…

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27.06.2015