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Kultur

Ich finde das Schweigen der Eltern richtig

Cilly Kugelmann versteht, dass Überlebende des Holocausts mit ihren Kindern oft nicht über das Erlebte sprechen wollen. Ein Gespräch mit der Programmdirektorin des Jüdischen Museums über Erinnerungskultur, Tagespolitik und die neue Ausstellung über Boris Lurie

BERLINER ZEITUNG / PAULUS PONIZAK
von
Irene Bazinger
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Als Jugendliche wollte Cilly Kugelmann unbedingt Fotografin werden und träumte davon, das Leben auf der Straße mit der Kamera einzufangen. Aber als sie merkte, wie viele andere vor ihr das schon gemacht hatten, und zwar großartig, verabschiedete sie sich von diesem Wunsch. Wenn schon, denn schon, hat sich die Tochter von Auschwitz-Überlebenden gedacht, und sich stattdessen eingehend mit der jüdischen und der Holocaust-Geschichte beschäftigt. Doch die Perspektive des aufmerksamen, offenen und genauen Betrachtens hat sie sich bewahrt. Sie schaut den Menschen immer noch gern zu. In ihrem freundlichen Büro im Jüdischen Museum hat die Programmdirektorin ein bisschen Schokolade und andere Süßigkeiten vorbereitet, damit wir den Dingen gestärkt ins Auge blicken können.

Frau Kugelmann, im Jüdischen Museum kann man sich stets auf allerhand Überraschungen freuen. 2013 etwa saßen in der Ausstellung "Die ganze Wahrheit ... Was Sie schon immer über Juden wissen wollten" lebendige jüdische Menschen in gläsernen Vitrinen. War das Reklame oder Pädagogik?

Eine Mischung aus beidem, wenn Sie so wollen, aber vor allem war es eine besondere Darstellungsform. Nach so etwas suchen wir hier immer, um die Besucher anzuregen, sich mit einem bestimmten Gegenstand oder Thema zu beschäftigen. Eigentlich ist das klassische Museum ja ein Ort, an dem man nichts berühren darf. Um die Leute auch sinnlich zu erreichen, ist es uns hingegen wichtig, in den wechselnden Ausstellungen etwas explizit Haptisches anzubieten - das muss kein lebendiger Mensch sein, wir haben auch schon Objekte gehabt, die so konstruiert waren, dass man sie anfassen, befühlen konnte.

Ich habe damals, fällt mir ein, extra bereitgestellte Jetons in verschiedene Säulen eingeworfen, um Vorurteile gegenüber jüdischen Menschen zu bewerten …

Ja, so etwas merkt man sich, nicht wahr? Solche immer neuen Elemente helfen hoffentlich, dass die Besucher anfangen, über die Ausstellung nachzudenken. Man muss nicht unbedingt etwas lernen, aber…

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20.02.2016