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Gesellschaft

Herr Tuncay zertrümmert einen Mythos

Der Kreuzberger Gang 36Boys wurde viel angedichtet: Kampf der Perspektivlosen gegen rechts zum Beispiel. Ein Mitglied sagt: Es ging um Spaß und Kräftemessen

Sarah_Loetscher / pixabay.com
von
Maritta Tkalec
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Gesellschaft

Deutschlands gefährlichste Gang sollen die 36Boys gewesen sein, wilde, gewalttätige Jungs, Schläger, die Kreuzberg und angrenzende Viertel aufgemischt haben. Von Bandenkrieg schrieben die Zeitungen. "Rivalisierende Gangs wandeln auf dem Kriegspfad. Sie kämpfen um Ruhm und Ehre und Kontrolle über ihre Hoheitsgebiete", liest man in dem 1991 bei Rotbuch erschienen Buch "Krieg in den Städten, Jugendgangs in Deutschland" von Klaus Farin und Eberhard Seidel-Pielen.

1987 hatte die wilde Zeit der 36Boys begonnen - und was schrieb man ihnen nicht alles zu: Die einen stilisierten sie zu Kämpfern gegen Neonazis, die anderen benutzen die Boys, um Legenden über den Aufstand benachteiligter Migrantenkids gegen die ausgrenzende deutsche Gesellschaft zu stricken, wieder andere schoben sie in die Mafiaecke.

"Furchtlos und stark"

Tuncay, gebürtiger Berliner, heute Mitte 40, Ingenieur und Unternehmer in Kreuzberg, erzählt eine andere Geschichte. Er gehörte zum Kern der Gruppe, von Anfang an. Nach einer harmonischen Grundschulzeit, umgeben von deutschen Freunden, zog er mit 13 zum Kottbusser Tor, "in die Höhle des Löwen", wie er heute sagt. Jetzt war alles anders, viel türkischer, und nicht alle guckten nett. Bald aber fand er seine "Kernfreundschaft", vier, fünf Jungs; dann kamen ein paar aus anderen Höfen dazu: Türken, drei Jugoslawen, je ein Grieche, Bosnier, Albaner, Palästinenser. 15 bis 20 waren sie, die nach der Schule am Kotti, Ecke Reichenberger,…

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22.05.2018