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Gesellschaft

Fußball, du Arschloch!

Die vielen Affären, all die Skandale. Als Kind habe ich das nicht gesehen. Jetzt denke ich: Mein Lieblingssport ist das Staffelfinale des Neoliberalismus.

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von
Paul Linke
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Gesellschaft

An einem Sonntagmorgen vor sieben Jahren verlor ich ein unwichtiges Laufduell. Einfach zu langsam. Nach einem letzten Verzweiflungsschritt kam ich ins Straucheln, fiel zu Boden, schrie auf. Wenige Minuten später war der Rettungswagen da. Mit Blaulicht ins Krankenhaus. Die unter Vollnarkose eingerenkte Schulter reagiert noch heute empfindlich, wenn ich auf der linken Seite schlafe.

In Behandlung war ich zuvor auch wegen einer doppelt gebrochenen Nase. Wegen einer Gehirnerschütterung. Ein Stück Schneidezahn wurde mir mal ausgeschlagen. Da konnte ich wenigstens weiterspielen. Für immer bleiben werden all die Kampfspuren an Knien und Oberschenkeln, wo sich vernarbte Narben über die Haut spannen. Versprengt wie Tintenkleckse.

Ich muss keinen von diesen Psychotests machen, um zu wissen, was sie über meine Persönlichkeit als Fußballer verraten würden. Mehr Treter als Techniker. Mehr Einsatz als Erfolg. Ein Rechtsverteidiger, der rannte und flankte, sprang und köpfte, Bälle ins Aus grätschte und manchmal ins eigene Tor. Ich komme auf zwanzig Fünftligaminuten. Ein paar Hundert Mark Siegprämien. Der Rest spielte sich auf gehobenem Kreisklassenniveau ab. Also dort, wo die Hartplätze gefroren sind im Winter und die Kunstrasen im Sommer so stumpf, dass die Halme ins Fleisch schneiden. Erst Blut. Dann Eiter. Am nächsten Spieltag war der Schorf wieder runter. Also noch ein Zinkpflaster drüber. Dazu all die Prellungen, Stauchungen, Zerrungen, Faserrisse. Die Röntgenbilder sind mein eigener Starschnitt.

Fußball erhöht wohl die Leidensfähigkeit. Denn Fußball bedeutet Schmerz. Ich habe ihn freiwillig ausgehalten. Wie Millionen andere auch.

In diesem Sommer habe ich mich zum ersten Mal für eine…

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09.06.2018